Kein bisschen Liebe
heiß. Ich massiere mir die …«
»Die Klitoris?«
»Ja. Und die Schamlippen. Ich mach’s mir beim Pinkeln, und dann leck ich mir die Hand ab.«
»Denkst du dabei an die Toten?«
»Nein. Ich glaub nicht. Keine Ahnung.«
»Und an was denkst du dann?«
»An gar nichts. Keine Ahnung. Ich bin erregt. Wenn ich aus der Toilette komme, schau ich sie mir noch mal an. Und dann geht’s mir so richtig gut.«
»Machst du das schon immer so?«
»Seit vielen Jahren. Ich steh auf Bestattungsunternehmen.«
»Hmm …«
Ich bleibe stumm. Miriam wirkt nicht verrückt. Jedenfalls nicht mehr als ich. Was kann ich ihr sagen? Sie ist eine große, schöne Schwarze. Eine intelligente Frau. Sie hat einen Universitätsabschluss. Sie ist, seit sie achtzehn war, Sozialarbeiterin. Seit damals, sechsundzwanzig Jahre lang, sieht sie jeden Tag dem menschlichen Elend ins Gesicht. Wenn sie ein Buch über ihre beruflichen Erfahrungen schreiben wollte, käme etwas so Morbides raus, dass niemand es drucken würde. Was ihr wohl durch den Kopf geht, wenn sie die Leichen ansieht?
Während ich darüber nachdenke, ist sie bereits beim nächsten Thema.
»Heute Morgen war ich bei einem Patienten, der schon dreimal versucht hat, sich umzubringen.«
»Donnerwetter, Kleine, da hast du ja einen happigen Tag hinter dir!«
»Meine Tage sind alle so. Oder schlimmer. Der Patient macht mir Sorgen. Er ist Arzt, Spezialist für Lungenheilkunde. Aber er ist Alkoholiker. Seine Frau hat ihn verlassen, und er lebt allein mit seiner achtjährigen Tochter. Ich muss eine Internatsschule für das Mädchen finden. Und zwar schnell.«
»Kann er sich denn nicht um sie kümmern?«
»Der kann sie jederzeit umbringen und dann sich selbst. Das ist mir schon mal passiert, vor vier oder fünf Jahren. Ähnlicher Fall. Und es ist nur passiert, weil ich zu lange gebraucht habe … Das ist mir noch lange nachgegangen.«
»Aber man kann den Typen doch auf Kur schicken.«
»Er will nicht einsehen, dass er Alkoholiker ist. Und er ist ein hoffnungsloser Fall. Manchmal taucht er eine Woche lang nicht zur Arbeit auf.«
»Miriam, ja, also … Magst du ein Bier? Das kühlt dir auch ein bisschen den Kopf.«
»O ja, vielen Dank. Ich hab Durst. Seit seine Frau ihn verlassen hat, ist es noch schlimmer geworden. Er war schon immer alkoholabhängig und depressiv. Der Alkohol verstärkt das Problem. Und er sagt zu mir, dass er nicht länger mit der Kleinen zusammenleben kann. Wenn er nämlich trinkt, fängt er an zu weinen. Das greift dann auf das Mädchen über, und dann weinen sie beide und …«
So macht sie immer weiter. Unaufhaltsam. Wir gehen in ein Café. Sauber, mit Klimaanlage. Ich muss in Dollars zahlen, aber so vermeide ich die verdreckten Bars und die ekelhaften, besoffenen Penner von Belascoaín. Die haben fast alle TBC und überleben in den Hauseingängen. Es läuft Musik. Sehr laut. Man kann nicht richtig reden. Und Miriam muss reden. Sie klagt immer darüber, dass sie und ihr Mann zu wenig miteinander sprechen. Sie sind schon lange verheiratet. Seit fünfzehn Jahren zusammen. Sie leben in einem Holzhäuschen, dunkel und warm. Es ist kaum mehr als eine Bretterbude. In einem Vorort von Guanabacoa. Und ohne Aussichten, sich zu verbessern. Sie haben einen kleinen Hinterhof mit etwas Gemüse und züchten Hühner. Der Typ ist Maurer. Oder Maurergehilfe, ich weiß nicht genau. Und was er verdient, das vertrinkt er. Um acht Uhr abends hat er nie auch nur einen Centavo in der Tasche. Er ist achtunddreißig. Sieht aus wie achtundvierzig. Miriam dagegen ist vierundvierzig, aber sie hat sich sehr gut gehalten und kann ohne weiteres behaupten, sie sei zehn Jahre jünger. Jetzt kotzt sie sich weiter bei mir aus, trotz der lauten Musik. Sie spricht mir ins Ohr.
»Ich halte es mit Luis nicht länger aus. Seit zwei Tagen kann er nicht zur Arbeit.«
»Wegen der Sauferei? Dann ist es ja wirklich schlimm.«
»Wollen wir gehen?«
»Stört dich die Musik?«
»Hier können wir nicht reden.«
Wir treten wieder hinaus in die erdrückend schwüle Hitze. Wir gehen die Belascoaín hinunter Richtung Malecón. Miriam gibt weiter die letzten Neuigkeiten über Luis zum Besten.
»Seit einer Woche lasse ich mich von ihm nicht anfassen. Mich ekelt’s vor ihm.«
»Und ihr schlaft im selben Bett? Das glaubt dir doch keiner!«
»Er vergewaltigt mich, während ich schlafe. Dieser Wüstling. Er wacht aus seinem Suff auf und hat dann einen stehen wie ein Knüppel. Und den rammt er mir bis in den
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