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Kein böser Traum

Kein böser Traum

Titel: Kein böser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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haben?«
    »Vielleicht einen Monat lang. Also was soll das?«
    »Die fünfte Person auf dem Foto. Die, die den Kopf abgewandt hat. Weißt du, wer das ist?«
    »Nein.«
    »Bist du es, Sandra?«
    Sie sah zu Grace auf. »Ich?«
    »Ja. Bist du’s?«
    Ein seltsamer Ausdruck trat in Sandras Gesicht. »Nein, Grace. Das bin nicht ich.«

    »Hat Jack Geri Duncan umgebracht?«
    Die Worte sprudelten einfach so aus ihr heraus. Sandra riss die Augen auf, als habe sie eine Ohrfeige bekommen. »Bist du übergeschnappt?«
    »Ich will nur die Wahrheit wissen.«
    »Jack hatte mit ihrem Tod nichts zu tun. Er war zu dem Zeitpunkt bereits in Europa.«
    »Warum ist er dann bei diesem Foto ausgeflippt?«
    Sie zögerte.
    »Warum, verdammt noch mal?«
    »Weil er bis zu dem Zeitpunkt nicht gewusst hat, dass Geri tot ist.«
    Grace war verwirrt. »Waren die beiden ein Liebespaar?«
    »Liebespaar«, wiederholte sie, als sei das ein völlig neues Wort für sie. »Das ist ein reichlich erwachsener Ausdruck für das, was die beiden waren.«
    »War sie nicht mit Shane Alworth zusammen?«
    »Schätze schon. Aber sie waren doch alle noch Kinder.«
    »Jack hat mit der Freundin seines Freundes rumgemacht?«
    »Keine Ahnung, wie eng befreundet Jack und Shane gewesen sind. Aber ja, Jack hat mit ihr geschlafen.«
    Grace schwirrte der Kopf. »Und Geri Duncan wurde schwanger.«
    »Darüber weiß ich nichts.«
    »Aber du weißt, dass sie tot ist.«
    »Ja.«
    »Und du weißt, dass Jack sich aus dem Staub gemacht hat.«
    »Bevor sie umgekommen ist.«
    »Bevor sie schwanger wurde?«
    »Ich hab doch schon gesagt. Ich hatte keine Ahnung, dass sie schwanger war.«
    »Und was hat Jack gesagt, als er dich angerufen hat?«
    Sie seufzte tief. Ihr Kopf sank nach vorn. Einen Moment war sie still.

    »Sandra?«
    »Hör mal. Das Foto muss – fünfzehn, sechzehn Jahre alt sein. Als du es ihm einfach so, aus heiterem Himmel, gegeben hast … was glaubst du wohl, ist da in ihm vorgegangen? Vor allem angesichts der Tatsache, dass über Geris Gesicht ein dickes X gemalt war? Jack ist an seinen Computer gegangen. Er hat eine Suche übers Internet gestartet – ich glaube, er hat das Archiv des Boston Globe benutzt. Er hat herausgefunden, dass sie schon seit Jahren tot ist. Deshalb hat er mich angerufen. Er wollte wissen, was ihr zugestoßen ist. Ich hab’s ihm gesagt.«
    »Du hast ihm was gesagt?«
    »Was ich wusste – dass sie bei einem Unfall ums Leben gekommen ist.«
    »Warum sollte das Jack veranlassen, wegzulaufen?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Warum hat er sich damals überhaupt nach Europa abgesetzt?«
    »Du musst endlich damit aufhören.«
    »Was ist mit den fünf jungen Leuten passiert, Sandra?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Grace ergriff Sandras Hände. »Ich glaube, er steckt in Schwierigkeiten.«
    »Dann hilft das, was ich weiß, ihm auch nicht.«
    »Man hat heute meine Kinder bedroht.«
    Sandra schloss die Augen.
    »Hast du gehört?«
    Ein Mann im eleganten Anzug öffnete die Tür. »Es ist Zeit, Sandra!«, verkündete er. Sandra nickte. Sie entzog Grace ihre Hände, stand auf und strich ihr Kostüm glatt.
    »Du musst damit aufhören, Grace. Geh nach Hause. Beschütze deine Familie. Das würde Jack von dir erwarten.«

38
    Die Drohung im Supermarkt hatte nicht gewirkt.
    Wu war nicht überrascht. Er war in einem sozialen Umfeld groß geworden, das die Macht der Männer und die Unterwerfung der Frau begünstigt hatte. Wu allerdings hatte das stets eher als Wunsch denn als Tatsache empfunden. Frauen waren zäher. Sie waren unberechenbarer. Sie konnten Schmerzen besser ertragen  – das wusste er aus persönlicher Erfahrung. Ging es darum, ihre Lieben zu beschützen, waren sie bei weitem skrupelloser. Männer opferten sich aus Männlichkeitswahn, Dummheit oder in dem blinden Glauben, dass sie nur gewinnen konnten. Frauen opferten sich, ohne sich irgendetwas vorzumachen.
    Er war von Anfang an gegen diese Drohgebärde gewesen. Mit Drohungen schuf man sich Feinde und Unwägbarkeiten. Grace Lawson schon zu einem früheren Zeitpunkt zu eliminieren, wäre dagegen reine Routine gewesen. Sie im Nachhinein auszuschalten, war erheblich riskanter.
    Wu musste zurückkehren und die Sache selbst in die Hand nehmen.
    Er stand in Beatrice Smith’ Duschkabine und färbte sein Haar in seiner ursprünglichen Farbe. Normalerweise färbte er es hellblond. Und zwar aus zwei Gründen. Der erste war von grundsätzlicher Natur: Er gefiel sich mit blondem Haar. Vielleicht war es

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