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Kein böser Traum

Kein böser Traum

Titel: Kein böser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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okay?«, fragte Cram.
    »Mir geht’s blendend.«
    »Wir haben noch zwanzig Minuten, bevor die Pressekonferenz beginnt. Dachte, es ist besser, Sie gehen da allein rein, wenn Sie sich Ihre Schwägerin vorher noch schnappen wollen.«
    »Sie sind eine sprudelnde Quelle guter Ideen, Cram.«
    Die Türen öffneten sich. »Dritter Stock«, sagte er noch. Grace trat ein. Sie war allein. Viel Zeit blieb ihr nicht. Sie zückte ihr Handy und die Karte, die Jimmy X ihr gegeben hatte. Sie wählte die Nummer. Die Stimme seiner Mailbox ertönte. Grace wartete auf den Piepton.
    »Ich weiß, dass Still Night zusammen mit Allaw aufgetreten ist. Rufen Sie mich an.«
    Sie hinterließ ihre Nummer und legte auf. Der Lift hielt. Als sie hinaustrat, empfing sie eines dieser schwarzen Schilder mit den auswechselbaren weißen Buchstaben, die den Weg zu Ratzenbergs Bar-Mizwa oder der Hochzeit der Familie Smith-Jones
wies. Dieses besagte: »Burton & Crimstein Pressekonferenz.« Sie folgte dem Pfeil zu einer Tür, holte tief Luft und stieß sie auf.
    Das Ganze erinnerte sie an eine Szene in einem Gerichtsfilm – an jenen dramatischen Höhepunkt, wenn die Überraschungszeugin durch die Schwingtüre tritt. Als Grace den Saal betrat, schienen alle die Luft anzuhalten. Es wurde schlagartig still. Grace kam sich verloren vor. Sie sah sich um, und was sie sah, machte sie ganz schwindelig. Sie trat einen Schritt zurück. Die trauernden Gesichter, älter zwar, doch keineswegs geläuterter, verschwammen vor ihren Augen. Da waren sie wieder – die Garrisons, die Reeds, die Weiders. Ihre Gedanken schweiften zurück zu den Anfangstagen im Krankenhaus. Sie hatte alles wie durch einen Nebel, wie durch einen Duschvorhang gesehen. Jetzt war es wieder so. Sie kamen stumm zu ihr. Sie umarmten sie. Keiner sprach ein Wort. Das war nicht nötig. Grace nahm die Umarmungen hin. Sie fühlte noch immer die Trauer, die diese Leute umfing.
    Sie erkannte die Witwe von Lieutenant Gordon MacKenzie. Einige behaupteten, er habe Grace in Sicherheit gebracht. Wie die meisten echten Helden hatte Gordon MacKenzie nur selten darüber gesprochen. Er behauptete, sich nicht erinnern zu können, was genau er getan habe, aber ja, er habe die Türen geöffnet und Leute herausgezogen, jedoch eher aus einem Reflex heraus als aus Tapferkeit.
    Grace umarmte Mrs. MacKenzie besonders herzlich.
    »Mein herzliches Beileid«, sagte Grace.
    »Er ist jetzt beim lieben Gott.« Mrs. MacKenzie hielt sie fest.
    Darauf gab es eigentlich keine Antwort. Grace nickte lediglich. Sie ließ sie los und sah über ihre Schulter. Sandra Koval hatte den Saal durch eine Seitentür betreten. Fast gleichzeitig entdeckte sie Grace, und es geschah etwas Seltsames. Ihre Schwägerin lächelte, beinahe als habe sie diese Begegnung erwartet. Grace trat von Mrs. MacKenzie zurück. Sandra neigte
leicht den Kopf, zum Zeichen, sie solle zu ihr kommen. Die Absperrung aus einer Samtkordel trennte sie. Ein Sicherheitsbeamter vertrat ihr den Weg.
    »Schon gut, Frank«, sagte Sandra. Er ließ Grace passieren.
    Sandra ging voraus. Sie eilte einen Gang entlang. Grace hinkte hinterher, unfähig, mit ihr Schritt zu halten. Sandra blieb stehen und öffnete eine Tür. Sie betraten einen riesigen Ballsaal. Ober waren damit beschäftigt, Tafelsilber aufzudecken. Sandra führte sie in eine Ecke. Sie griff sich zwei Stühle und stellte sie einander gegenüber.
    »Du scheinst nicht überrascht, mich zu sehen«, begann Grace.
    Sandra zuckte die Achseln. »Ich dachte mir, dass du den Fall in den Medien verfolgst.«
    »Habe ich nicht.«
    »Ist auch egal, schätze ich. Bis vor zwei Tagen wusstest du nicht einmal, wer ich bin.«
    »Was geht hier vor, Sandra?«
    Sie antwortete nicht sofort. Das leise Klirren des Silbers bildete den musikalischen Hintergrund. Sandras Blick schweifte zu den Obern in der Saalmitte.
    »Warum vertrittst du Wade Larue?«
    »Man hat ihm ein Verbrechen vorgeworfen. Ich bin Strafanwältin. Das ist mein Beruf.«
    »Sei nicht so verdammt belehrend.«
    »Du willst wissen, wie ich ausgerechnet zu diesem Mandanten gekommen bin. Ist es das?«
    Grace sagte nichts.
    »Liegt das nicht auf der Hand?«
    »Nicht für mich.«
    »Du bist es, Grace.« Sie lächelte. »Du bist der Grund, weshalb ich Mr. Larue vertrete.«
    Grace machte den Mund auf, machte ihn wieder zu und versuchte es noch einmal. »Wovon redest du überhaupt?«

    »Du hast nichts von mir gewusst. Du hast nur gewusst, dass Jack eine Schwester hat. Aber ich wusste

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