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Kein böser Traum

Kein böser Traum

Titel: Kein böser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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zurück. Er verfolgte die Prozedur mit einer Gelassenheit, die sie mehr ängstigte, als es die finsterste Miene hätte tun können. Fünf Minuten nachdem Sandra Koval mit ihrer Einlassung begonnen hatte, schweifte Vespas Blick zu Grace. Er sah, dass sie ihn beobachtete. Dann tat er etwas, das ihr einen Schauer über den Rücken jagte.
    Er blinzelte ihr zu.
    »Kommen Sie!«, flüsterte er. »Machen wir, dass wir hier rauskommen!«
    Noch während Sandra in ihrer Ansprache fortfuhr, erhob sich Carl Vespa und ging zur Tür. Köpfe drehten sich um, und es wurde plötzlich ganz still im Saal. Grace folgte ihm. Sie fuhren schweigend mit dem Aufzug hinunter. Die Limousine stand bereits vor dem Eingang. Der große, bullige Kerl saß hinter dem Steuer.
    »Wo ist Cram?«, fragte Grace.
    »Er hat was zu erledigen«, antwortete Vespa, und Grace glaubte, den Anflug eines Lächelns zu erkennen. »Erzählen Sie mir von Ihrem Gespräch mit Mrs. Koval.«
    Grace gab die Unterhaltung mit ihrer Schwägerin wieder. Vespa blieb stumm, starrte aus dem Fenster, während sein Zeigefinger rhythmisch gegen sein Kinn trommelte. Als sie geendet hatte, fragte er: »Ist das alles?«
    »Ja.«

    »Sind Sie sicher?«
    Sein schnippischer Ton gefiel ihr nicht.
    »Was ist mit Ihrem …« Vespa sah auf, schien nach dem richtigen Wort zu suchen. »Besucher von neulich?«
    »Sie meinen Scott Duncan?«
    Vespas Grinsen mutete seltsam an. »Sie sind sich natürlich bewusst, dass Scott Duncan für den Generalstaatsanwalt arbeitet.«
    »Gearbeitet hat«, korrigierte sie.
    »Ja, gearbeitet hat.« Es klang alles zu salopp. »Was hat er von Ihnen gewollt?«
    »Das habe ich Ihnen schon gesagt.«
    »Ach wirklich?« Er verlagerte sein Gewicht in den Polstern, ohne sie anzusehen. »Haben Sie mir wirklich alles erzählt?«
    »Was soll das heißen?«
    »Nur eine Frage. War dieser Mr. Duncan in letzter Zeit Ihr einziger Besucher?«
    Grace gefiel die Wendung, die das Gespräch nahm, immer weniger. Sie zögerte.
    »Niemand sonst, von dem Sie mir erzählen möchten?«
    Sie wollte in seinen Zügen nach einem Fingerzeig suchen, doch er hielt den Kopf abgewandt. Wovon redete er? Sie überlegte, ging die vergangenen Tage noch einmal durch …
    Jimmy X?
    War es möglich, dass Vespa erfahren hatte, dass Jimmy X nach seinem Konzert kurz bei ihr gewesen war? Möglich war es natürlich. Schließlich hatte er Jimmy X als Erster wieder entdeckt – also wäre es nur logisch, wenn er ihn beschatten ließ. Wie also sollte Grace sich verhalten? Wenn sie jetzt etwas sagte, würde das die Verstimmung noch vertiefen? Vielleicht wusste er nichts von Jimmy. Vielleicht geriet sie nur noch mehr in Schwierigkeiten, wenn sie jetzt den Mund aufmachte.
    Leg dich nicht gleich fest, ermahnte sie sich. Warte ab, wo die Reise hingeht. »Ich weiß, ich habe Sie um Hilfe gebeten«, sagte
sie in bestimmtem Ton. »Aber ich glaube, von jetzt an möchte ich das allein durchstehen.«
    Vespa drehte sich endlich zu ihr um und sah sie an. »Wirklich?«
    Sie wartete.
    »Warum, Grace?«
    »Wollen Sie die Wahrheit wissen?«
    »Ich würde es vorziehen.«
    »Sie machen mir Angst.«
    »Glauben Sie, ich würde Ihnen etwas antun?«
    »Nein.«
    »Aber?«
    »Ich glaube nur, dass es vielleicht das Beste ist …«
    »Was haben Sie ihm über mich erzählt?«
    Die Kehrtwendung traf sie unvorbereitet. »Scott Duncan?«
    »Gibt es denn noch jemanden, mit dem Sie über mich gesprochen haben?«
    »Wie? Nein.«
    »Also, was haben Sie Scott Duncan über mich gesagt?«
    »Nichts.« Grace versuchte nachzudenken. »Was könnte ich ihm denn schon sagen?«
    »Stimmt.« Er nickte wie zu sich selbst. »Aber Sie waren immer reichlich vage in Bezug auf den Grund für Mr. Duncans Besuch.« Vespa faltete die Hände in seinem Schoß. »Mich würden Einzelheiten interessieren. Sehr sogar.«
    Genau das wollte sie nicht – wollte nicht mehr, dass er sich mit ihren Angelegenheiten befasste –, doch sie konnte sich dem nicht entziehen. »Es ist wegen seiner Schwester.«
    »Was ist mit ihr?«
    »Erinnern Sie sich an das Mädchen, dessen Gesicht auf dem Foto durchgestrichen ist?«
    »Ja.«
    »Ihr Name war Geri Duncan. Sie war seine Schwester.«

    Vespa runzelte die Stirn. »Und deshalb ist er zu Ihnen gekommen?«
    »Ja.«
    »Weil seine Schwester auf dem Foto ist?«
    »Ja.«
    Er lehnte sich zurück. »Also, was ist mit ihr, mit dieser Schwester?«
    »Sie ist vor fünfzehn Jahren bei einem Brand ums Leben gekommen.«
    Und jetzt überraschte

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