Kein Drehbuch für die Liebe (Junge Liebe )
Rückspiegel zu uns nach hinten.
„Gut, danke. Und Ihnen?", entgegnete Tom höflich.
„Na ja, du hast uns schon gefehlt. Aber deine Gesundheit geht natürlich vor. Trotzdem müssen dringend noch einige wichtige Szenen gedreht werden. Ihr wisst ja - time is money", sagte er und lachte.
Wir nickten wortlos.
In dieser Art von Kommunikation verlief die gesamte Fahrt, bis Michael schließlich langsamer wurde und den Wagen neben einer großen Kathedrale parkte, die uns mittlerweile vom Dreh bekannt war.
„Aussteigen!", befahl Michael grinsend und hielt Tom die Tür auf. Tom nuschelte daraufhin ein verlegenes „Danke", bevor wir Michael folgten.
Es war bereits der dritte Drehtag in der alten Kirche, aber noch immer schien etwas an der Szenenausarbeitung nicht perfekt zu sein. Überall standen Kameras, Mikrofone, Bildschirme, Computer, Tische und etliche von Kollegen, die entweder nervös herumwirtschafteten oder an einem der vielen Tische saßen und etwas aßen oder einen Kaffee tranken. Tom wurde von allen freundlich begrüßt und die Frage nach seinem Befinden bekam er etliche Male gestellt. Als er dann endlich von jedem Einzelnen begrüßt worden war, sah man ihm seine Genervtheit schon von Weitem an. Ich trat auf ihn zu und flüsterte ihm motivierende Worte ins Ohr, was ihm zumindest ein flüchtiges Lächeln entlockte. Doch auch dieses verschwand schon bald wieder - und zwar in dem Moment, als zwei Kameraleute und Michael mich zu sich riefen und mir hektisch irgendwelche Regieanweisungen gaben.
Während ich vor die Kameras geschoben wurde und etliche Stimmen auf mich einreden hörte, hantierte ein Stylist an mir herum.
Tom hatten sie derweilen zu einem der vielen Stühle neben den Kameraleuten gebracht und ihm gesagt, dass er von dort aus zusehen könnte.
Alles um mich herum ging so unglaublich schnell, dass ich kaum etwas von dem Geschehen mitbekam und eh ich mich versah, bereits Samantha, die Anna spielte, vor mir stand und mich verlegen anlächelte. Ich wollte noch einmal zu Tom herüberblicken, hatte ihm doch noch nicht einmal alles zeigen und erklären können, als bereits alles fertig zum Drehen eingestellt war.
„Ihr kennt ja euren Text. ... und schafft es bitte dieses Mal!", forderte Michael Samantha und mich auf.
Das war leichter gesagt als getan, denn im Gegensatz zu ihm war ich schwul, hatte einen festen Freund und konnte als frisch Verliebter nicht so einfach jemand anderen küssen - jedenfalls nicht so, dass es gefühlvoll aussah. Ich musste mich zusammenreißen und all meine Gefühle und Gedanken ausschalten. Ich konnte Toms Blick auf mir spüren und fühlte mich schlecht in meiner Rolle.
Der Dreh begann.
Ich stellte mich so hin, als wollte ich gerade aus der Tür gehen, die sich in der Wand, vor der wir die Szene spielten, befand, als ich mich erneut umdrehte.
Samantha stand mitten im Raum und Tränen rannen ihr über das Gesicht.
„Was ist los, Anna?", fragte ich leise und sah sie mitfühlend an.
Samantha wischte sich mit dem Ärmel ihres Pullovers die Tränen von den Wangen und antwortete in erstickter Stimme: „Tut mir leid! All das erinnert mich an meine Eltern."
Alles wirkte recht melodramatisch, doch spielte ich meine Rolle perfekt weiter.
„Es war ein Unfall, Anna ... du kannst nichts dafür."
Samantha blickte nun zu mir auf, während ich einen weiteren Schritt auf sie zuging.
„Meinst du wirklich?"
„Ja", antwortete ich.
„Du bist wirklich ein guter Freund", sagte sie dann und lächelte, nachdem sie sich ihre Tränen aus dem Gesicht gewischt hatte.
„Danke", murmelte ich leise.
Eine merkwürdige Stille trat ein. Samantha machte ein ungewohntes Geräusch, das sich teils nach Schluchzen und teils nach einem leisen Auflachen anhörte und kam mir dabei näher. Am liebsten wäre ich weggerannt. Das Spielen wurde an dieser Stelle zu einem wirklichen Problem für mich.
„Ich mag dich wirklich", sagte Anna.
Auch ich sollte verliebt spielen, was mir jedoch einfach nicht gelingen wollte. Als sie mir schließlich noch näher kam, riss ich die Augen weit auf und stolperte einen Schritt rückwärts, als ihre Lippen mich plötzlich berührten.
„Cut!", hörte ich es hinter mir, während Schritte auf mich zuhallten.
„Daniel, so geht das wirklich nicht!", es war Michael mit einem mehr verzweifelten als wütenden Blick.
Samantha sah weniger begeistert aus und verschränkte ihre Arme vor der Brust, wirkte nahezu beleidigt. Die meisten um uns herum schien das
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