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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Lautlos zog er die Tür zu.
    Er spähte durch die Küche und den Gang hinunter zum Schlafzimmer. Die Tür war angelehnt. Er konnte zwar niemanden sehen, aber er hörte ein Geräusch, als schöbe jemand Schubladen auf und zu. Er ging durch die Küche. Der Katzengestank war unerträglich. Er sah, der Teller unter dem Tisch war saubergeleckt, die Wasserschale fast leer. Er betrat den Gang und war noch etwa zwei Meter von der Schlafzimmertür entfernt, als sie aufging und eine Gestalt mit gesenktem Kopf herauskam.
    Sheila Delacroix schrie entsetzt auf, als sie aufblickte und Bosch sah. Bosch riss seine Waffe hoch, ließ sie aber sofort wieder sinken, als er merkte, wer es war. Sheila Delacroix hob die Hand an die Brust und sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
    »Was machen Sie denn hier?«, stieß sie hervor.
    Bosch steckte seine Waffe weg.
    »Das Gleiche wollte ich Sie gerade fragen.«
    »Das ist die Wohnung meines Vaters. Ich habe einen Schlüssel.«
    »Und?«
    Sie hob kopfschüttelnd die Schultern.
    »Ich … ich habe mir wegen der Katze Sorgen gemacht. Ich habe nach der Katze gesehen. Was haben Sie denn mit Ihrer Wange angestellt?«
    Bosch zwängte sich an ihr vorbei ins Schlafzimmer.
    »Ein kleiner Unfall.«
    Er sah sich um und entdeckte weder die Katze noch sonst etwas, was seine Aufmerksamkeit erregte.
    »Ich glaube, er ist unter dem Bett.«
    Bosch blickte sich nach Sheila Delacroix um.
    »Der Kater. Ich konnte ihn nicht rauslocken.«
    Bosch kehrte an die Tür zurück und berührte sie an der Schulter, um sie ins Wohnzimmer zu lotsen.
    »Setzen wir uns erst mal.«
    Im Wohnzimmer setzte sie sich in den Lehnsessel, Bosch blieb stehen.
    »Wonach haben Sie gesucht?«
    »Ich habe Ihnen doch gesagt: nach der Katze.«
    »Ich habe Sie Schubladen öffnen und schließen hören. Versteckt sich die Katze gern in Schubladen?«
    Sheila Delacroix schüttelte den Kopf, als wollte sie sagen, er mache sich überflüssige Gedanken.
    »Ich war nur neugierig, wegen meinem Vater. Nachdem ich schon mal hier war, habe ich mich ein bisschen umgesehen, mehr nicht.«
    »Und wo ist Ihr Auto?«
    »Ich habe es am Eingang abgestellt. Ich wusste nicht, ob ich hier einen Parkplatz finden würde, deshalb habe ich dort geparkt und bin zu Fuß hierher gegangen.«
    »Und die Katze wollten Sie an einer Leine zum Auto zurückführen oder was?«
    »Nein, ich wollte sie tragen. Warum stellen Sie mir alle diese Fragen?«
    Bosch sah sie forschend an. Er hätte schwören können, dass sie log, aber er war nicht sicher, was er dagegen tun sollte oder könnte. Er beschloss, sie ein wenig unter Druck zu setzen.
    »Jetzt hören Sie mal zu, Sheila. Wenn Sie irgendetwas mit dem zu tun hatten, was Ihrem Bruder zugestoßen ist, ist jetzt der Moment, es mir zu erzählen und unter Umständen einen Deal auszuhandeln.«
    »Was reden Sie da eigentlich?«
    »Haben Sie an besagtem Abend Ihrem Vater geholfen? Haben Sie ihm geholfen, Ihren Bruder den Hügel hinaufzutragen und zu verscharren?«
    Sie riss die Hände so schnell vor ihr Gesicht, als hätte ihr Bosch Säure ins Gesicht geschüttet. Durch ihre Hände hindurch schrie sie: »Ich fasse es nicht, das darf doch nicht wahr sein! Was wollen Sie damit …«
    Genauso abrupt ließ sie die Hände wieder sinken und starrte ihn fassungslos an.
    »Sie denken, ich hatte etwas damit zu tun? Wie können Sie so etwas denken?«
    Bosch wartete eine Weile, bis sie sich beruhigt hatte. Dann antwortete er: »Ich glaube, Sie sagen mir nicht die Wahrheit über das, was wirklich passiert ist. Das macht mich argwöhnisch, und außerdem bedeutet es, dass ich allen Möglichkeiten nachgehen muss.«
    Sie stand abrupt auf.
    »Bin ich verhaftet?«
    Bosch schüttelte den Kopf.
    »Nein, Sheila, das sind Sie nicht. Aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir die –«
    »Dann gehe ich.«
    Sie ging um den Couchtisch herum und steuerte entschlossen auf die Tür zu.
    »Was ist mit der Katze?«, fragte Bosch.
    Sie blieb nicht stehen. Sie war bereits zur Tür hinaus und in der Nacht verschwunden. Bosch hörte sie von draußen antworten.
    »Kümmern Sie sich um sie.«
    Bosch ging zur Tür und beobachtete, wie sie auf der Straße der Wohnwagensiedlung zum Verwaltungsgebäude am Eingang ging, wo ihr Auto stand.
    »Aber klar doch«, sagte er zu sich selbst.
    Er lehnte sich an den Türrahmen und atmete etwas von der unverdorbenen Luft draußen. Er dachte über Sheila Delacroix nach und was sie getan haben könnte. Nach einer Weile sah er auf die Uhr und

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