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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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zu hängen. Der Marmorboden und die hohe Decke verstärkten das wilde Stimmengewirr zu einem dissonanten Rauschen. Bosch zwängte sich in die kleine Snack-Bar und musste über fünf Minuten warten, bis er sich einen Kaffee kaufen konnte. Anschließend ging er zu Fuß nach oben, weil er nicht noch einmal fünf Minuten damit verlieren wollte, auf einen der unsäglich langsamen Lifte zu warten.
    Als er in Portugals kleines Büro trat, war Edgar bereits da.
    »Wir haben uns schon gewundert, wo Sie so lange bleiben«, sagte Portugal.
    »Was hast du denn da gemacht?«, fügte Edgar hinzu, als er Boschs Wange sah.
    »Das ist eine lange Geschichte. Und ich werde sie gleich erzählen.«
    Er setzte sich auf den anderen Stuhl vor Portugals Schreibtisch und stellte seinen Kaffee neben sich auf den Fußboden. Er merkte, er hätte auch für Portugal und Edgar welchen mitbringen sollen, weshalb er beschloss, in ihrer Gegenwart nichts zu trinken.
    Er öffnete die Aktentasche in seinem Schoß und nahm einen gefalteten Teil der Los Angeles Times heraus. Er machte die Aktentasche wieder zu und stellte sie auf den Boden.
    »Also, was gibt’s?« Portugal war sichtlich gespannt, warum Bosch auf dieser Besprechung bestanden hatte.
    Bosch begann, die Zeitung auseinander zu falten.
    »Was es gibt? Wir haben den Falschen unter Anklage gestellt und sollten das besser richtig stellen, bevor Anklage gegen ihn erhoben wird.«
    »Ach du Scheiße. Ich wusste, Sie würden mit etwas in der Art ankommen«, sagte Portugal. »Ich weiß nicht, ob ich das hören will. Sie vermasseln uns da eine todsichere Sache, Bosch.«
    »Es ist mir egal, was ich tue. Wenn es dieser Typ nicht war, dann war er’s eben nicht.«
    »Aber er hat gesagt, dass er’s war. Mehrere Male.«
    »Hören Sie«, sagte Edgar zu Portugal. »Lassen Sie Harry einfach mal sagen, was er sagen will. Wir wollen keine Scheiße bauen.«
    »Könnte nur sein, dass unser Korinthenkacker hier ein bisschen zu spät dran ist.«
    »Harry, erzähl einfach. Was ist los?«
    Bosch schilderte ihnen, wie er mit einem Dummy zur Wonderland Avenue rausgefahren war und Delacroix’ angeblichen Aufstieg auf den steilen Hügel nachgestellt hatte.
    »Ich habe es geschafft – mit Ach und Krach.« Er fasste vorsichtig an seine Wange. »Der Punkt ist nur, Del–«
    »Aber Sie haben es doch geschafft«, sagte Portugal. »Sie haben es geschafft, also könnte es auch Delacroix geschafft haben. Wo soll da das Problem sein?«
    »Das Problem ist, dass ich nüchtern war, als ich es versucht habe, und er war es seiner Aussage zufolge nicht. Außerdem wusste ich, wohin ich unterwegs war. Ich wusste, dass es weiter oben flach würde. Das wusste er nicht.«
    »Das ist doch alles belangloser Quatsch.«
    »Nein, wenn hier etwas Quatsch ist, dann Delacroix’ Geschichte. Niemand hat die Leiche des Jungen da raufgeschleppt. Er war noch am Leben, als er dort oben ankam. Er wurde dort oben umgebracht.«
    Portugal schüttelte frustriert den Kopf.
    »Das sind doch alles wilde Spekulationen, Detective Bosch. Ich werde dieses Verfahren nicht stoppen, bloß weil –«
    »Es sind Spekulationen. Aber keine wilden Spekulationen.«
    Bosch sah zu Edgar hinüber, aber sein Partner erwiderte seinen Blick nicht. Er machte ein bedrücktes Gesicht. Bosch sah wieder Portugal an.
    »Außerdem bin ich noch nicht fertig. Da ist noch mehr. Als ich gestern Abend nach Hause kam, fiel mir Delacroix’ Katze ein. Wir haben sie in seinem Wohnwagen gelassen und ihm versprochen, uns um sie zu kümmern. Aber wir haben sie vergessen. Deshalb bin ich noch mal hingefahren.«
    Bosch konnte Edgar schwer atmen hören, und er wusste, was das Problem war. Edgar war von seinem eigenen Partner nicht eingeweiht worden. Es war peinlich für ihn, diese Information zur gleichen Zeit zu erhalten wie Portugal. In einer perfekten Welt hätte Bosch ihm davon erzählt, bevor er damit zum Anklagevertreter ging. Aber dafür war keine Zeit gewesen.
    »Alles, was ich tun wollte, war, die Katze füttern. Aber als ich hinkam, war bereits jemand im Wohnwagen. Seine Tochter.«
    »Sheila?«, sagte Edgar. »Was wollte sie dort?«
    Diese Neuigkeit kam für Edgar offensichtlich so überraschend, dass ihm plötzlich egal war, ob Portugal mitbekam, dass er über die letzten ermittlungstechnischen Schritte nicht im Bild war.
    »Sie hat im Wohnwagen nach etwas gesucht. Behauptet hat sie zwar, sie wäre ebenfalls wegen der Katze hingekommen, aber als ich ankam, hat sie den Wohnwagen eindeutig

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