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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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»Irgendwie erscheint mir das alles einfach nicht stimmig.«
    »Was werden Sie dann jetzt tun?«
    »Ich werde noch mal alles durchspielen. Noch mal ganz von vorn anfangen.«
    »Wann ist die Anklageerhebung, morgen?«
    »Ja.«
    »Sie haben nicht genug Zeit, Harry.«
    »Ich weiß. Aber ich mache es trotzdem. Auf einen Widerspruch, der mir bisher nicht aufgefallen ist, bin ich bereits gestoßen.«
    »Was?«
    »Delacroix sagte, er hätte Arthur am Vormittag umgebracht – nachdem er gemerkt hatte, dass er nicht zur Schule gegangen war. Als wir zum ersten Mal mit der Tochter gesprochen haben, sagte sie, Arthur sei nicht von der Schule nach Hause gekommen. In diesem Punkt weichen ihre Aussagen voneinander ab.«
    Billets schnaubte in den Hörer.
    »Das ist doch unerheblich, Harry. Die Sache liegt über zwanzig Jahre zurück, und er ist Alkoholiker. Wie ich Sie kenne, werden Sie sich jetzt die Schulunterlagen ansehen.«
    »Ja, morgen.«
    »Dann haben Sie es morgen geklärt. Aber woher soll die Schwester sicher wissen, ob er noch in die Schule gegangen ist oder nicht? Das Einzige, was sie weiß, ist doch, dass er danach nicht zu Hause war. Also, damit können Sie mich nicht überzeugen.«
    »Ich weiß. Das versuche ich auch nicht. Ich erzähle Ihnen nur die Punkte, denen ich weiter nachgehen werde.«
    »Haben Sie und Ihr Partner bei der Durchsuchung seines Wohnwagens irgendwas gefunden?«
    »Wir haben ihn noch gar nicht durchsucht. Er fing praktisch sofort zu reden an, sobald wir zur Tür rein waren. Wir machen es morgen nach der Anklageerhebung.«
    »Wie viel Zeit lässt Ihnen der Durchsuchungsbefehl dafür?«
    »Achtundvierzig Stunden. Wir sind also noch innerhalb der Frist.«
    Als das Gespräch auf den Wohnwagen kam, fiel Bosch plötzlich wieder Delacroix’ Katze ein. Das Geständnis des Verdächtigen hatte ihn so beschäftigt, dass er vergessen hatte, sich um die Katze zu kümmern.
    »Scheiße.«
    »Was?«
    »Nichts. Ich habe die Katze des Verdächtigen vergessen. Delacroix hat eine Katze. Ich habe ihm versprochen, dafür zu sorgen, dass sich eine Nachbarin um sie kümmert.«
    »Hätten Sie doch bei Animal Control angerufen.«
    »Das wollte er nicht. Da fällt mir ein: Haben Sie nicht auch Katzen?«
    »Ja, aber die von diesem Kerl nehme ich nicht.«
    »Das habe ich damit auch nicht gemeint. Ich will nur wissen, wie lange sie es ohne Fressen und etwas Wasser aushalten?«
    »Soll das heißen, Sie haben der Katze nichts zu fressen dagelassen?«
    »Doch, haben wir schon, aber davon ist wahrscheinlich inzwischen nichts mehr übrig.«
    »Also, wenn Sie sie heute gefüttert haben, hält es wahrscheinlich bis morgen vor. Aber begeistert wird sie nicht gerade sein. Durchaus möglich, dass sie die Bude ein bisschen auf den Kopf stellt.«
    »Wie es dort aussah, hat sie das schon. Hören Sie, ich muss jetzt Schluss machen. Ich möchte mir den Rest des Videos anschauen und sehen, was wir in der Hand haben.«
    »Gut, dann machen wir jetzt Schluss. Aber, Harry, einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Wissen Sie, was ich meine?«
    »Ich glaube schon.«
    Danach legten sie auf, und Bosch startete die Videokassette mit dem Geständnis wieder. Aber fast im selben Moment machte er den Recorder wieder aus. Die Katze ließ ihm keine Ruhe. Er hätte dafür sorgen sollen, dass sich jemand um sie kümmerte. Er beschloss, noch mal rauszufahren.

42
    Als Bosch auf Delacroix’ Wohnwagen zufuhr, sah er hinter den Vorhängen aller Fenster Licht brennen. Als er und Edgar zwölf Stunden zuvor Delacroix weggebracht hatten, war kein Licht an gewesen. Er fuhr am Wohnwagen vorbei und parkte ein paar Standplätze weiter auf einem freien Parkplatz. Er ließ die Schachtel mit Katzenfutter im Auto, ging zu Delacroix’ Wohnwagen und beobachtete ihn von derselben Stelle, an der er gestanden hatte, als Edgar sein Durchsuchungsklopfen ertönen ließ. Trotz der späten Stunde war das Rauschen vom Freeway allgegenwärtig und machte es ihm unmöglich, irgendwelche Geräusche im Innern des Wohnwagens zu hören.
    Er nahm die Waffe aus dem Holster und ging auf die Tür zu. Vorsichtig stieg er auf die Betonsteine und versuchte leise die Tür. Der Griff ließ sich drehen. Bosch hielt das Ohr an die Tür und lauschte, aber auch so konnte er im Innern nichts hören. Er wartete eine Weile, dann drehte er langsam und lautlos den Griff, hob seine Waffe und zog die Tür auf.
    Das Wohnzimmer war leer. Bosch ging nach drinnen und blickte sich um. Niemand zu sehen.

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