Kein Engel so rein
Haus zu. Die Tür wurde geöffnet, bevor sie sie erreichten, und der Arzt bat sie ins Haus. Bosch fragte, ob er das Telefon im Arbeitszimmer noch einmal benutzen dürfte, und Guyot zeigte ihm den Weg, obwohl das nicht nötig war. Bosch setzte sich an den Schreibtisch.
»Was machen Ihre Rippen?«, erkundigte sich der Arzt.
»Es geht.«
Brasher zog die Augenbrauen hoch, und Bosch ging darauf ein.
»Ich hatte einen kleinen Unfall, als ich gestern Abend dort oben war.«
»Was ist passiert?«
»Ach, ich dachte mir eigentlich nichts Böses, als mich plötzlich grundlos ein Baumstamm anfiel.«
Sie verzog das Gesicht, und irgendwie schaffte sie es, gleichzeitig auch zu grinsen.
Bosch wählte die Nummer der Pressestelle aus dem Gedächtnis und berichtete einem Mitarbeiter in groben Zügen über den Fall. Irgendwann hielt er mit der Hand den Hörer zu und fragte Guyot, ob er in der Presseerklärung namentlich genannt werden wollte. Der Arzt lehnte ab. Wenige Minuten später war Bosch fertig und legte auf. Er sah Guyot an.
»Sobald wir in ein paar Tagen den Fundort frei geben, werden wahrscheinlich jede Menge Journalisten hier rumschnüffeln. Ich würde mal sagen, sie werden nach dem Hund suchen, der den Knochen gefunden hat. Wenn Sie also Ihre Ruhe vor ihnen haben wollen, lassen Sie Calamity nicht aus dem Haus. Andernfalls werden sie Ihnen wahrscheinlich schnell auf die Spur kommen.«
»Ein guter Rat«, sagte Guyot.
»Und vielleicht sollten Sie auch Ihren Nachbarn, Mr. Ulrich, anrufen, dass er keinem Journalisten was erzählt.«
Beim Verlassen des Hauses fragte Bosch Brasher, ob sie ihre Taschenlampe zurück wollte, und sie sagte, sie hätte keine Lust, sie ständig mit sich rumzuschleppen, wenn sie beim Absuchen des Geländes half.
»Geben Sie sie mir ein andermal zurück«, sagte sie.
Bosch gefiel die Antwort. So bekam er mindestens noch eine Chance, sich mit ihr zu treffen.
Wieder zurück am Wendekreis sah Bosch, wie Edgar den Kadetten Anweisungen erteilte.
»Die goldene Regel am Tatort lautet: Nichts anfassen, bevor es untersucht, fotografiert und in die Karte eingetragen ist.«
Bosch trat in den Kreis.
»Und? Können wir?«
»Sie sind so weit.« Edgar deutete mit dem Kopf auf zwei Kadetten, die Metalldetektoren trugen. »Die habe ich mir von der Spurensicherung geborgt.«
Bosch nickte und hielt den Kadetten und Brasher den gleichen Sicherheitsvortrag, den er den Leuten von der Spurensicherung gehalten hatte. Dann stiegen sie zur Fundstelle hoch. Bosch stellte Edgar Brasher vor und ließ anschließend seinen Partner durch die Sperre vorangehen. Er bildete die Nachhut und ging hinter Brasher.
»Wenn dieser Tag zu Ende geht«, sagte er, »wird sich zeigen, ob Sie immer noch zum Morddezernat wollen.«
»Schlimmeres, als jedem Funkspruch hinterherzuhecheln und bei Dienstschluss die Kotze vom Rücksitz zu putzen, kann es eigentlich gar nicht geben.«
»An die Zeiten kann ich mich noch gut erinnern.«
Bosch und Edgar ließen die zwölf Kadetten und Brasher auf dem an die Akazien angrenzenden Gelände eine Mann-an-Mann-Suche durchführen. Danach ging Bosch wieder nach unten und holte die zwei K-9-Teams, damit sie bei der Suche halfen.
Sobald das erledigt war, ließ er Edgar mit den Kadetten allein und kehrte zu den Akazien zurück, um zu sehen, wie das Grabungsteam vorankam. Kohl saß auf einer Kiste und beaufsichtigte die Anbringung der hölzernen Pflöcke, zwischen denen die Schnüre für das Ausgrabungsraster gespannt werden sollten.
Bosch hatte schon einmal mit Kohl zusammengearbeitet und wusste, dass sie sehr gründlich war und etwas von ihrem Job verstand. Sie war Ende dreißig und hatte die Figur und die Bräune einer Tennisspielerin. Bosch hatte sie zufällig einmal in einer Freizeitanlage mit ihrer Zwillingsschwester Tennis spielen sehen. Sie hatten einen Menschenauflauf verursacht. Es sah aus, als schlüge jemand den Ball gegen eine Spiegelwand.
Kohl fiel das glatte blonde Haar ins Gesicht und verdeckte ihre Augen, als sie auf das große Klemmbrett in ihrem Schoß hinabblickte. Sie machte sich auf einem Bogen Papier, auf den bereits ein Raster gedruckt war, Notizen. Bosch spähte über ihre Schulter. Kohl versah jedes einzelne Kästchen mit einem Buchstaben, wenn der entsprechende Pflock in die Erde gesteckt wurde. Oben auf die Seite hatte sie »Stadt der Knochen« geschrieben.
Bosch tippte mit dem Finger auf die Überschrift.
»Wie kommen Sie auf diesen Namen?«
Sie zuckte mit den
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