Kein Engel so rein
er noch nicht gehört hatte, brachte ihn auf irgendeine zündende Idee. Er spulte das Band zurück und beschloss, es sich noch einmal anzuhören. Und dann, ziemlich zu Beginn beim zweiten Hören, kam ihm ein Gedanke, bei dem ihm plötzlich gleichzeitig heiß und kalt wurde. Er spulte das Band rasch zurück und spielte den Wortwechsel zwischen Edgar und Trent, der seine Aufmerksamkeit erregt hatte, noch einmal ab. Er erinnerte sich, diesen Teil des Gesprächs auf dem Flur mitgehört zu haben. Seine wahre Bedeutung ging ihm jedoch erst in diesem Augenblick auf.
»Hat es Ihnen Spaß gemacht, den Kindern zuzusehen, wenn sie dort oben im Wald gespielt haben, Mr. Trent?«
»Nein, ich konnte sie nicht sehen, wenn sie oben im Wald waren. Gelegentlich fuhr ich mit dem Auto vorbei oder führte meinen Hund aus – als er noch lebte – und dann sah ich die Kinder dort hinaufklettern. Das Mädchen von gegenüber. Die Fosters 1 * von nebenan. Die ganzen Kinder aus der Gegend. Das Grundstück gehört der Stadt – es ist das einzige unerschlossene Grundstück in der Gegend. Deshalb sind sie dort immer zum Spielen hin. Einige der Nachbarn dachten, die älteren Kinder würden da raufgehen, um zu rauchen, und sie hatten Angst, sie könnten mal alles in Brand stecken.«
Er machte das Tonbandgerät aus und ging in die Küche und zum Telefon zurück. Edgar meldete sich nach dem ersten Läuten. Bosch wusste, dass er noch nicht geschlafen hatte. Es war erst neun Uhr.
»Du hast nicht zufällig irgendwas mit nach Hause genommen?«
»Wie was zum Beispiel?«
»Die umgekehrten Adresslisten?«
»Nein, Harry, die sind in der Station. Wieso, was gibt’s?«
»Nur so eine Idee. Als du heute diesen Straßenplan gemacht hast – erinnerst du dich vielleicht noch, ob da jemand in der Wonderland gewohnt hat, der Foster hieß?«
»Foster. Du meinst, mit Nachnamen Foster?«
»Ja, mit Nachnamen.«
Er wartete. Edgar sagte nichts.
»Jerry, kannst du dich erinnern?«
»Jetzt mach doch nicht gleich so eine Hektik, Harry. Ich bin gerade am Überlegen.«
Mehr Schweigen.
»Nhn-nhn«, sagte Edgar schließlich. »Kein Foster. Nicht, dass ich wüsste.«
»Wie sicher bist du dir?«
»Also, jetzt hör mal, Harry. Ich habe den Plan oder die Listen nicht hier. Aber ich glaube, ich müsste mich an den Namen erinnern können. Warum ist das so wichtig? Was ist los?«
»Ich rufe dich gleich noch mal an.«
Bosch nahm das Telefon zum Esszimmertisch mit, wo er seine Aktentasche gelassen hatte. Er öffnete sie und nahm die Mordakte heraus. Rasch blätterte er zu der Seite, auf der die gegenwärtigen Anwohner der Wonderland Avenue mit Adresse und Telefonnummer aufgeführt waren. Auf dieser Liste gab es keine Fosters. Er nahm das Telefon und wählte eine Nummer. Nach dem vierten Läuten meldete sich eine Stimme, die er kannte.
»Dr. Guyot, hier ist Detective Bosch. Ich hoffe, ich rufe nicht zu spät an.«
»Aber nein, Detective. Es ist nicht zu spät für mich. Ich habe vierzig Jahre lang zu jeder Tages- und Nachtzeit Anrufe erhalten. Neun Uhr? Das ist doch gar nichts. Wie geht es Ihren Verletzungen?«
»Bestens, Doktor. Ich bin ein bisschen in Eile und müsste Ihnen ein paar Fragen über die Nachbarn stellen.«
»Dann schießen Sie los.«
»Vor ziemlich langer Zeit, so um neunzehnhundertachtzig, gab es da eine Familie oder ein Paar namens Foster in der Wonderland?«
Guyot dachte schweigend über die Frage nach.
»Nein, ich glaube nicht«, sagte er schließlich. »Ich kann mich an niemand erinnern, der Foster hieß.«
»Okay. Wissen Sie dann vielleicht, ob es in der Straße jemand gab, der Fosterkinder, Pflegekinder, bei sich aufnahm?«
Diesmal antwortete Guyot ohne Zögern.
»Ähm, ja, natürlich. Das waren die Blaylocks. Sehr nette Leute. Sie haben jahrelang immer wieder Kinder bei sich aufgenommen und ihnen geholfen. Ich habe sie sehr bewundert.«
Bosch schrieb den Namen auf ein leeres Blatt Papier vorn in der Mordakte. Dann blätterte er zu dem Bericht über die Vernehmung der Anwohner weiter und sah, dass zur Zeit niemand mit Namen Blaylock in der Wonderland wohnte.
»Können Sie sich an ihre Vornamen erinnern?«
»Don und Audrey.«
»Und wann sind sie ausgezogen? Wissen Sie noch, wann das war?«
»Oh, das dürfte mindestens zehn Jahre her sein. Als das letzte Kind erwachsen war, brauchten sie das große Haus nicht mehr. Sie haben es verkauft und sind weggezogen.«
»Irgendeine Ahnung, wohin sie gezogen sind? Leben sie noch in der
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