Kein Entrinnen
wollen Sie von uns hören? Patrick kann an einen Verrückten geraten sein, einen Irren. Er war ein reizender Junge. Er hatte kein Glück.«
»Hatte er Freunde?«
David seufzte.
»Mein Sohn arbeitete pausenlos. Sie können sich nicht vorstellen, wie das ist … den ganzen Tag im Auto, um seine Bücher an den Mann zu bringen! Mindestens hundertzwanzigtausend Kilometer jährlich! Wann hätte er Freunde gewinnen sollen? An Tankstellen? In schäbigen Motels?«
»Er hatte ein Apartment in Providence. Besuchte er Sie manchmal?«
»Nein, nicht mehr sehr oft.«
»Auch wegen der Arbeit?«
»Nicht nur deshalb … Sagen wir, wir haben uns vor zwei Jahren zerstritten … wegen einer Lappalie.«
Der Mann hob die Augenbrauen und blickte mit großer Zärtlichkeit zu seiner Frau. Man konnte nicht erkennen, ob diese zuhörte und das Gespräch verfolgte oder ob sie im Geist Lichtjahre entfernt war.
Das Zimmer war vollgestellt mit alten Möbeln, abgewetzten, durchgesessenen Sofas, wackligen Lampen und gerahmten Schinken in Öl an der Wand.
»Patrick hatte angefangen zu schreiben«, fuhr der Vater fort. »Wahrscheinlich war der Umgang mit den Verlegern, den Buchhandlungen und all diesen Büchern daran schuld … Er fühlte sich plötzlich zum Schriftsteller berufen.«
»Ach, ja! Und was geschah dann?«
David senkte die Augenbrauen zu einem heftigen Runzeln.
»Und?«
Er zögerte.
»Und … ich habe ihm gesagt, was ich davon hielt. In aller Offenheit. Ich lebe schon viel länger in der Welt der Bücher als er. Ich bin als großer Büchernarr bekannt, was er nie war. Jedenfalls, um es kurz zu machen, diese Seiten taugten nichts, und ich habe ihm erklärt, dass er noch mehr daran arbeiten müsse, bevor er sie seinen Chefs zeigen konnte.«
»Ich nehme an, das hat er Ihnen übel genommen?«
»Das ist noch ein schwacher Ausdruck. Er hat mich beleidigt, er hat geschrien, ich hätte keine Ahnung, er war der Meinung, ich sei eifersüchtig. Als Vater ein Versager. Ich fand, dass er zu weit ginge, also fing ich auch an zu brüllen.«
Der Vater bemühte sich, seine Tränen zu unterdrücken.
»War das das letzte Mal, dass Sie miteinander gesprochen haben?«
»Nein, nein, zum Glück nicht … zum Geburtstag seiner Mutter kam Patrick zurück.«
Melanchthon blieb einen Augenblick lang stumm. Dann holte sie aus ihrer Tasche eine Akte und aus der Akte ein Foto hervor. Das Foto von Ben O. Boz.
»Wissen Sie, ob Ihr Sohn diesen Mann kannte?«
David Turd trocknete sich mit einem Taschentuch die Augen und setzte eine Lesebrille auf. Er musterte Boz aufmerksam.
»Nein«, sagte er. »Nie gesehen. Tut mir leid. Wer ist das?«
Patricia erhob sich und ging ohne eine Antwort zur Mutter.
»Meine Frau ist nicht in der richtigen Verfassung, wissen Sie«, protestierte er. »Sie hat kein Wort gesagt, seitdem wir gestern die Nachricht erhielten.«
Melanchthon beugte sich mit dem Foto in der Hand zu der bedauernswerten Frau hinab.
»Haben Sie diese Person schon einmal gesehen, Madam? Kannte Ihr Sohn sie? Das ist wichtig für unsere …«
Adelia Turd war bleich geworden. Sie ließ ihr Taschentuch los, das zu Boden fiel. Patricia fühlte sich wie vom Blitz getroffen.
»Ja?«, fragte sie. »Sie kennen ihn?«
Die von Tränen geweiteten Augen der Frau blickten wie gebannt auf das Foto. Und plötzlich nickte sie wortlos.
»Mein Gott«, dachte die Agentin, »jetzt haben wir ihn!«
»Worum geht es hier?«, fragte der Vater beunruhigt.
Im Wohnzimmer klingelte das Telefon. Nach dem sechsten Läuten hob David Turd ab. Melanchthon blieb, erfüllt von einem befreienden Gefühl der Macht, mit ihrem Foto zurück.
Der junge Patrick konnte als angehender Schriftsteller seine Arbeiten Boz gezeigt haben, bevor er in die Falle ging. Das war sehr gut vorstellbar!
»Ja, meine Liebe«, sprach der Vater mit leiser Stimme ins Telefon. »Er ist es wirklich. Es ist sein Leichnam. Wir sind gerade aus dem Krankenhaus zurückgekommen.«
Patricia sah sich um. Sie erkannte Patrick Turd auf einem Foto, das neben der Armlehne des Rollstuhls stand. Er umarmte eine blonde junge Frau. Eine Verlobte vielleicht? Wieder fing sie an zu träumen: Das Mädchen musste eine Menge über den Komplizen wissen. Auch sie konnte nützlich sei.
»Die Polizei ist hier«, fuhr der Vater fort. »Ja, sie stellen Fragen über Patrick. Die Polizei … Wie? Nein, das FBI. Aber ich habe mir nicht gemerkt … warte.«
Er legte eine Hand auf den Hörer und fragte: »Wie ist Ihr Name,
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