Kein Entrinnen
Leiche fand. Nicht sehr weit von hier. Gefroren. Halb mit Blättern bedeckt.«
»Es war reiner Zufall«, glaubte Liebermann schnell hinzufügen zu müssen, doch es war, als sei er überrascht, seine Stimme zu hören.
Boz sah ihm prüfend in die Augen. Unverändert nervenstark fuhr Oscar fort.
»Man muss kein Gerichtsmediziner sein, um zu erraten, dass Patrick Turd brutal erwürgt wurde.«
Instinktiv lockerte Boz seine Fäuste.
»Seid ihr sicher, dass es wirklich derselbe Mann ist?«
»Definitiv. Seine Visitenkarte steckte in der Gesäßtasche seiner Blue Jeans, bevor er sie in den Bäumen zurückließ. Es gibt Fasern, die perfekt übereinstimmen. Dagegen war bei dem Typ nichts zu finden, woran man ihn hätte identifizieren können, keine Papiere, nicht einmal einen Schlüssel oder ein Telefon, und kein Geld. Nichts. Nicht einmal eine weitere Visitenkarte.«
Boz entschloss sich nun zu einem Lächeln und breitete seine riesigen Arme aus.
»Was für eine atemberaubende Geschichte!«, rief er. »Ich kenne viele, die davon träumen, so wie ihr mitten in ein Drama dieser Größenordnung zu geraten! Eine Leiche? Ein Würger? Ich könnte mir vorstellen, dass das FBI euch eine Medaille übergeben hat?«
»Das FBI weiß nichts davon, Mr. Boz. Wir haben den Leichnam nicht übergeben. Wir haben ihn noch immer hier. «
Ein langes Schweigen senkte sich herab nach dieser arroganten Antwort des Chefs des Klubs der Schreiber.
Plötzlich machte sich bei dem Schriftsteller ein nervöser Tick bemerkbar: einer seiner Daumen begann zu zucken.
»Ihr macht wohl Scherze! Wisst ihr, was ihr riskiert? Zurückhaltung einer Leiche? Behinderung polizeilicher Ermittlungen?«
Oscar sagte sich, dass Boz jetzt, wenn er seine Rolle gut spielte, zur Hochform auflaufen würde.
»Wo befindet sich der Leichnam?«, fragte Boz.
Die vier Klubmitglieder blickten sich an.
»Wir hatten ihn zuerst in der Kühlkammer der Schulküche weggesperrt«, erklärte Oscar. »Bestens versteckt, das versichere ich Ihnen, es bestand keinerlei Gefahr. Inzwischen ist er aus Sicherheitsgründen hermetisch verpackt in den Wald zurückgekehrt - und unauffindbar.«
»Was sucht ihr eigentlich genau?«
»Die Wahrheit.«
Während Oscar stand, saß Boz, sodass der Student ihn überragte. Der Schriftsteller zuckte mit den Schultern.
»Wozu?«
»Wir sind im Augenblick vier aktive Klubmitglieder und -führer. Wir werden an der Aufklärung dieser Geschichte arbeiten. Wie Privatdetektive.«
»Und mit welchem Ziel?«
»Dem gleichen wie Sie. Wir wollen ein Buch schreiben.«
Neuerliches Schweigen. Boz blickte jeden der Jungen mit bohrendem Blick an. Das Labyrinth um sie herum war so dicht, dass es schien, als seien sie von der Welt abgeschnitten.
»Und ihr seid die Einzigen, die Bescheid wissen?«
»Ja. Klubgeheimnis und Schweigegelübde. Sie sind und werden der Einzige sein, den wir informieren.«
»Warum ich?«
Oscar beugte sich für seine Antwort zu dem Riesen vor.
»Wir hätten gerne, dass Sie uns helfen.«
Boz unterdrückte einen Lachreiz.
»Wie das denn?«
»Wir haben das in dem Augenblick beschlossen, als Sie heute Morgen zu sprechen begannen. Sie sind rücksichtslos und neugierig. Sie gehen bis zum Äußersten, damit Ihre Romane das auch tun. Das ist es, was wir suchen. Wir leben jetzt alle in einem Roman, der noch zu schreiben ist: der Geschichte der Ermordung von Patrick Turd.«
Der Student richtete sich mit ungebrochenem Selbstbewusstsein wieder auf. Er sagte:
»Wenn Sie unseren Vorschlag ablehnen und uns bei den Behörden denunzieren wollen, dann streiten wir alles rundweg ab. Sie stehen dann ohne jeden Beleg und ohne jedes Beweisstück vier entschlossenen Jungen gegenüber. Jeder von uns hat für die Nacht vom 3. Februar ein bombenfestes Alibi!«
Boz schüttelte den Kopf.
»Was erwartet ihr schlussendlich von mir?«
Oscar lächelte.
»Dass Sie uns bei den Nachforschungen über Patrick Turd unterstützen! Von Durrisdeer aus können wir nicht allem nachgehen. Wir verfügen bereits über einige Informationen über den Toten. Aber sie müssen noch überprüft werden. Und dann kommt das Schreiben. Die Abfassung des Werks. Vielleicht könnten Sie uns helfen, einen Verlag zu finden? Oder ein Vorwort schreiben? Natürlich werden wir Ihre Ausführungen von vorhin wortwörtlich befolgen: Wenn man mit der Realität arbeitet, muss man die Namen, Orte und Umstände unkenntlich machen … Niemand darf die Geschichte je bis zu uns zurückverfolgen!«
Oscar
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