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Kein Entrinnen

Titel: Kein Entrinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou
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makellos weiße Haare, blaue Augen und trug einen dicken roten Pullover und einen weißen Schal. Sie lächelte mechanisch, als sie den Colonel hinter ihrer Tür erblickte. Sheridan wies sich mit seiner Marke aus.
    »Guten Tag, Madam, ich komme wegen einer Vermisstenmeldung, die Sie vor sieben Jahren gemacht haben. Das Verschwinden von Amy Austen.«
    Sonia Barisonek lächelte weiter, doch ihre Augen leuchteten beunruhigt auf.
    »Gibt es etwas Neues, Officer?«
    Da begriff Sheridan, dass die Nachrichtensperre des FBIs noch immer Bestand hatte. Drei Wochen nach den Ereignissen waren die Familien noch immer nicht informiert worden! Den Bruchteil einer Sekunde lang hätte er ihr beinahe die Wahrheit offenbart: Das Mädchen war seit drei Wochen tot, in einer gottverlassenen Grube aus Sand und Erde mitten im Wald gefunden worden, und zuvor hatte sie in einem stillgelegten E-Werk in New Hampshire bestimmt Furchtbares durchgemacht! Wo sie heute war? Nicht die blasseste Ahnung! Aber mit Sicherheit in bester Gesellschaft!
    Stattdessen tischte Sheridan ihr die abgedroschenste und verlogenste Geschichte auf, die Polizisten schon tausendfach vorgeschützt hatten, wenn sie in einem Fall herumstochern wollten, der sie eigentlich nichts anging.
    »Wir versuchen Beziehungen zwischen verschiedenen Fällen herzustellen. Grob gesagt, gehen Polizeibeamte unerledigte Akten durch und suchen nach Querverbindungen zu Erkenntnissen aus den letzten Monaten. Das sind oft Polizeibeamte, die ursprünglich nicht mit dem Fall vertraut waren. Wie ich. Darf ich?«
    Sonia Barisonek erschrak.
    »Auf der Basis solcher Berichte werden die Akten am Ende geschlossen, nicht wahr?«
    »Nein, Ma’am. Vermisstenfälle werden nie abgeschlossen.«
    Das schien sie zu beruhigen. Sie machte einen Schritt zurück, gab die Tür frei und ließ ihn eintreten.
    Das Wohnzimmer war tipptopp aufgeräumt, sehr hell und verschwenderisch mit Spitzenvorhängen und Spitzentischdeckchen dekoriert. Das Ganze wurde vervollständigt durch billige Gemälde und Eulenfiguren in allen Größen.
    Die Dame ging in die Küche und kehrte mit einem Kaffee für Sheridan und einer Dose Kekse zurück.
    Der Beamte fragte: »In welcher Verbindung standen Sie zur Vermissten?«
    Sonia runzelte die Stirn.
    »Wie? Nicht einmal das wissen Sie?«
    Sheridan lächelte.
    »Ich habe es Ihnen schon gesagt, ich rolle alles komplett von vorne auf.«
    Sonia Barisonek schüttelte den Kopf.
    »Ist das wirklich notwendig? Nach all der Zeit? Ich habe ihre Geschichte schon so oft erzählt.«
    »Es ist notwendig, Madam. Das können Sie mir glauben.«
    Die Frau atmete tief ein und nahm auf einem Sessel neben Sheridan Platz. Sie sah geradeaus, sodass der Polizist ihr Gesicht und ihre Miene nur schwer ausmachen konnte.
    »Amy. Das ist meine Nichte. Die Tochter meiner Schwester. Jackie ist gestorben, als Amy elf Jahre alt war. Kurz darauf habe ich sie zu mir genommen. Mein Mann hatte mich bereits verlassen und mein Sohn begann an der Universität von Oregon zu studieren. Emily war ein reizendes Kind, aber sehr verschlossen. Sie las viel. Nachdem sie hier eingezogen war, wollte sie Amy Austen genannt werden, nach ihrer Lieblingsschriftstellerin.«
    »Austen. Das Zentralregister der Polizei beweist aber, dass Amy einen Ausweis auf diesen Namen besaß. Er war offenbar eine Fälschung. Hatte sie zuvor einen Antrag auf Namensänderung gestellt?«
    Sonia Barisonek schüttelte den Kopf.
    »Nein, als ich sie 1994 zum letzten Mal gesehen habe, nannte sie sich immer noch Emily Roast, wie meine Schwester und ich. Austen war ihr Wahlname, das ist alles. Aber ich hielt es für besser, diesen Namen zu benutzen, als ich sie im Kommissariat als vermisst gemeldet habe.«
    Sheridan schrieb in sein Notizbuch: Emily Roast. 1994.
    »1994, sind Sie sicher? Aber da war Amy erst sechzehn.«
    »Sie war bereits mündig. Sie hat mich dazu gedrängt, in die Erklärung der vorzeitigen Mündigkeit einzuwilligen. Mit sechzehn konnte sie schon tun und lassen, was sie wollte.«
    »Solche Verfahren sind ziemlich selten«, sagte Sheridan. »Was ist passiert?«
    »Dass sie schon so jung diese fixe Idee hatte, ihren Namen zu wechseln, war Vorbote einer Identitätssuche, die mit der Pubertät … wie soll ich sagen? … regelrecht explodierte. Amy hat ihren Vater nie gekannt. Sie war besessen von der Idee, diesen Mann zu finden. Vor allem nach dem Selbstmord ihrer Mutter. Dieser Teil ihrer Familie war ihr vollkommen fremd …«
    Sie blickte Sheridan

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