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Kein Fall für Mr. Holmes

Kein Fall für Mr. Holmes

Titel: Kein Fall für Mr. Holmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney Hosier
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sie, trocknete sich die Augen und richtete sich wieder zu einer sitzenden Position auf. Während sie damit beschäftigt war, wischte auch ich rasch und unauffällig eine Träne fort. Violet räusperte sich. Sie war bereit loszulegen.
    »Es begann alles Samstag nacht«, verkündete sie. »Ich lag in genau diesem Bett. Natürlich wußte ich zu der Zeit noch nicht, daß das die Nacht des Mordes sein würde, das war erst später, du verstehst schon.«
    »Ja, ja. Erzähl weiter«, trieb ich sie an.
    »Also, ich hab’ mich ganz gemütlich ins Bett gekuschelt, als mir einfiel, daß ich vergessen hatte, noch mal nach Ihrer Ladyschaft zu sehen, so wie ich es abends immer machte, nur um zu sehen, ob alles in Ordnung war und so. Ich lag also da, wie ich schon sagte, nett und lauschig und fühlte mich ziemlich müde, als mir der Gedanke kam, daß es ja wahrscheinlich nicht schaden könnte, wenn ich einfach zu ihrem Zimmer schweben würde, wenn du weißt, was ich mein’. Ansonsten hätte das bedeutet, das Bett zu verlassen, den Hausmantel anzuziehen und den Flur entlang zu laufen. Also, da frag ich dich, kann man mir das übelnehmen?«
    »Mit anderen Worten«, kommentierte ich mit unbewegtem Gesichtsausdruck, »der Geist war willig, nur das Fleisch war schwach.«
    Das provozierte ein Kichern bei Vi.
    »Oh, das gefällt mir, wirklich. Der Geist war willig…« Noch ein Kichern. »Du überrascht mich, wirklich, Em.«
    »Weißt du, Violet«, antwortete ich, unsicher, ob ich mich verletzt fühlen sollte oder nicht, »ich habe schon einen gewissen Sinn für Humor.«
    »Richtig«, sagte sie und versuchte, ihr Lächeln zu unterdrücken. »Wo war ich doch gleich? Ah ja. Also, ich schwebte den Flur entlang zum Schlafzimmer Ihrer Ladyschaft.«
    »Einfach so?«
    »Ja. Wenn ich es mir erst einmal in den Kopf gesetzt hab’, brauch’ ich nicht lang, um loszuschweben.«
    Obwohl es mir immer noch schwer fiel zu glauben, was ich hörte, gab es keinen naheliegenden Grund, warum es nicht so sein sollte. Eine ehrliche Haut, dieses Mädchen aus Manchester. Wie auch immer, es gab einige Fakten, die ich durch ihre Geschichte zu erfahren hoffte.
    »Wo genau liegt das Schlafzimmer Ihrer Ladyschaft von hier aus?«
    »Drei Türen weiter. Aber nachts ist der Flur kälter als ‘ne Eskimonase. Das war noch ein Grund, einfach dahin zu schweben. Wenn ich in meinem geistigen Körper bin, fühl’ ich weder Kälte noch Wärme. Irgendwie komisch, oder?«
    Sie redete weiter, ohne auf eine Antwort zu warten. Zumal ihre Frage ja ohnehin rhetorischer Art war.
    »Da war ich also in ihrem Schlafzimmer, und es war schwärzer als ‘n Schornsteinfegerohr. Und wär’ da nicht ein klitzekleiner Schimmer vom Mondlicht durch die nur halb zugezogenen Vorhänge gedrungen, hätte ich ihn nie gesehen.«
    »Ihn gesehen? Wen hast du gesehen?«
    »Hm, das ist es ja gerade… ich weiß es nicht! Ich konnte nur ‘nen dunklen Schatten sehen, der sich gerade über Ihre Ladyschaft beugte. Aber soweit ich erkennen konnte, hielt er ein weißes Tuch oder so was über das Gesicht des alten Mädchens.«
    Ich muß gestehen, daß mich ihre Geschichte mit Entsetzen erfüllte. »Was passierte dann?« stieß ich hervor.
    »Verdammt noch mal, ich hab’ einfach nur geschrien. Und als ich sah, wie sie mit den Armen fuchtelte und versuchte, sich freizukämpfen, hab’ ich mich selbst auf ihn gestürzt. Hat allerdings verflixt wenig genützt. Ich hatte nämlich vergessen, mußt du wissen, wenn ich geistig unterwegs bin, kann man mich nicht sehen, hören oder fühlen. Schoß geradewegs durch ihn durch, echt, wie ein verfluchtes Gespenst!«
    »Du redest über diese Person, als sei es ein Mann gewesen. Bist du dir da sicher?«
    »Hm, weiß nicht. Hab’ ich jedenfalls angenommen.«
    »Ach, meine liebe Violet«, antwortete ich schulmeisterlich, wie es sich für meine neue Rolle als Privatdetektivin gehörte, »man darf nie etwas annehmen. Eine Annahme hat überhaupt keine Grundlage, da sie höchstens auf Intuition beruht. Wir brauchen Fakten, Mädchen. Fakten.«
    »Zu dem Zeitpunkt war ich aber nicht an verflixten Fakten interessiert!« lautete die wütende Replik. »Ich wußte nur, daß ich Ihrer Ladyschaft nicht helfen konnte, wenn ich weiter wie so ‘n blöder Schmetterling durch das Zimmer flog! Also schwebte ich zurück, und«, fuhr sie fort und ergriff meine Hand, »frag mich nicht, woher ich die Nerven dazu hatte, aber sobald ich wieder in meinem Körper war, hab’ ich mir den Hausmantel

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