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Kein Fall fuer Wilsberg

Kein Fall fuer Wilsberg

Titel: Kein Fall fuer Wilsberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kehrer
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Dachterrasse.
    Der Abstand von Warenfeld tat Kiki sichtlich gut. Sie wirbelte in der Küche herum und verkündete dann, daß sie erst einmal einkaufen wolle. Ich machte es mir auf dem Liegestuhl der Dachterrasse bequem und las die ersten Seiten eines entsetzlich langweiligen Romans von Martha Grünes.
    Das Abendessen verlief noch harmonisch. Es gab eine Fischpfanne mit Gemüse. Dazu tranken wir Grolsch aus Nostalgieflaschen. Doch nachdem Kiki anschließend eine halbe Stunde lang vergeblich versucht hatte, die feuchten Holzscheite zu entzünden, erlitt sie einen Depressionsrückfall und verzog sich leidend in ihr Zimmer. Nicht einmal zu einem Strandspaziergang konnte ich sie überreden.
    So fuhr ich alleine zum Leuchtturm, stellte den Wagen ab und wanderte über die vom Mond beleuchtete Sandfläche. Auch ohne Palmen erinnerte mich der Strand an die Karibik.

    Am nächsten Morgen regnete es. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Sorgenvoll betrachtete ich meine lederbesohlten Sommerschuhe.
    »Welche Schuhgröße hast du?« fragte Kiki.
    »43.«
    »Jochen hat… hatte 44. Guck mal in den Geräteschuppen hinterm Haus! Ich glaube, da steht ein Paar Gummistiefel, das dir passen könnte.«
    Der muffige Schuppen war mit Liegestühlen, Sonnenschirmen und allem möglichen Plunder vollgestellt, und ich brauchte eine Weile, bis ich mich zum Schuhregal vorgekämpft hatte. Gummistiefel waren in allen Größen, darunter auch einer brauchbaren, vorhanden, und ich war schon auf dem Rückweg, als mir die Teilansicht eines Farbdruckes ins Auge stach. Normalerweise können mich Zeitschriften nicht zum Stehenbleiben animieren, aber in diesem Fall war das anders. Der Fetzen zeigte nämlich ein menschliches Körperteil, genauer gesagt, ein primäres männliches Geschlechtsorgan.
    Ich stellte die Stiefel ab und hob die Bretter an, unter denen der Rest der Broschüre verborgen war. Das ganze Produkt entsprach seinem verräterischen Ausriß. Obwohl ich mich nicht besonders auskannte, vermutete ich, daß man solcherart Ware nicht in irgendwelchen Sexshops kaufen konnte. Denn die abgebildeten, mit schwarzen Augenbalken versehenen Männer begrapschten oder penetrierten allesamt minderjährige Knaben.
    Ich schob das Heft in einen Gummistiefel und ging zum Haus zurück.
    »Hast du sie gefunden?« rief Kiki von oben herunter.
    »Ja.«
    »Dann können wir ja aufbrechen.«
    »Ja.«
    »Hast du was?« fragte Kiki, als sie in Regenausrüstung die Treppe herunterkam.
    »Wer war eigentlich zuletzt im Haus?« fragte ich zurück.
    Sie überlegte. »Das muß Jochen gewesen sein. In der Zeit, als ich dich in der Karibik gesucht habe. Danach war niemand mehr hier.«
    »War er allein?«
    »Soviel ich weiß. Was soll die Fragerei?«
    »Ich muß dich etwas Blödes fragen.« Ich druckste herum.
    »Was denn, verdammt nochmal?«
    »War Jochen bisexuell?«
    Sie wurde erst rot und dann bleich. »Wie kommst du denn darauf?«
    Ich zog das Heft aus dem Stiefel. »Deswegen.«
    Sie warf einen Blick auf die Fotos und wurde noch bleicher. Vorsichtshalber brachte ich sie zu dem Ledersofa vor dem Kamin.
    »Das kann nicht von Jochen sein«, stammelte sie. »Das glaube ich nicht.«
    »Bleib da sitzen! Ich mache uns einen Tee«, sagte ich.
    Als der Tee fertig war, fand ich sie in unveränderter Position vor.
    »Möchtest du darüber reden?« fragte ich.
    »Nein. Ja.« Ihre Gesichtsfarbe war wieder halbwegs normal. »Wenn ich darüber nachdenke…«
    »Entschuldige, aber das könnte für den Mord von Bedeutung sein. Darf ich dir noch weitere Fragen stellen?«
    »Frag ruhig!«
    »Wie war eure Ehe? Ich meine: sexuell.«
    »Na ja, wir sind… wir waren knapp zehn Jahre verheiratet. Allzu häufig haben wir nicht mehr miteinander geschlafen.«
    »Ist er allein ausgegangen? Zum Beispiel nach Münster gefahren?«
    »Mein Gott, wir haben uns nicht auf Schritt und Tritt überwacht. Ich hatte mein Leben, er seins. Wir waren nicht jeden Abend zusammen.«
    »Wie hat er sich über Schwule geäußert?«
    »Er hat Schwule abgelehnt, er konnte sie nicht ausstehen. Aber…«
    »Ja?«
    »Er hat gelegentlich Jungs hinterhergeguckt, das ist mir mal aufgefallen. Und dann wollte er immer, daß ich abnehme, obwohl ich nicht besonders dick bin. Es gab einmal eine Zeit, zwei Jahre nach unserer Heirat, da war ich aufgrund einer Krankheit völlig abgemagert. Da wollte er ständig mit mir schlafen. Als ich wieder zunahm, ließ sein Interesse nach.«
    Ich lehnte mich zurück. »Du hältst es also nicht

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