Kein Fall fuer Wilsberg
nicht mehr an. Also nickte ich.
IX
Zwei Tage später fand die Beerdigung statt. Es war ein ausgesprochen heißer Tag, einer der wenigen in diesem Sommer, und die mindestens zweihundert Trauergäste schwitzten unter ihrer schwarzen Kleidung. Um mich vor dem gleißenden Sonnenlicht zu schützen, trug ich eine Rayban-Sonnenbrille, was Ursula dazu veranlaßte, mir zuzuzischen, warum ich mich unbedingt wie bei einer Mafioso-Beerdigung aufführen müsse.
Auch Stürzenbecher ließ sich blicken, und nachdem der Pfarrer seine Rede von dem verdienstvollen Unternehmer und fürsorglichen Ehemann abgespult hatte, stellte ich mich neben ihn.
»Und?«
Stürzenbecher schüttelte den Kopf. »Er ist stumm wie ein Fisch.«
»Neue Beweise?«
»Fehlanzeige. Wir werden ihn wohl bald laufenlassen müssen. Sein Anwalt macht mir die Hölle heiß, und der Staatsanwalt erzählt mir was von knapper Beweislage.«
»Sag ich doch.«
Stürzenbecher grunzte. »Vielleicht haben wir tatsächlich aufs falsche Pferd gesetzt. Dann können wir noch einmal ganz von vorne anfangen, und das heißt: jedes Familienmitglied einzeln abklopfen. Was weißt du zum Beispiel von Ludger?«
»Ludger?«
»Ja. Welche Rolle spielte er in der Firma?«
»Jochen war der Chef, Ludger sowas wie sein Stellvertreter.«
»Und jetzt ist er der Chef?«
»Vermutlich. Meinst du, das ist ein Grund, Jochen umzubringen?«
»Was weiß ich?« knurrte Stürzenbecher ärgerlich. »Ich denke nur laut. Es hat schon banalere Mordmotive gegeben. Wir müssen alle in Betracht ziehen, die vom Tod Jochens profitieren, einschließlich deiner Schwester.«
»Ich glaube nicht, daß sie ihn zuerst zusammengeschlagen und dann unter die Presse gelegt hat.«
»Alleine wohl kaum.«
Ich guckte Stürzenbecher an. »Das ist doch nicht dein Ernst?«
»Das würde auch begründen, warum du mich auf die falsche Spur mit den Arabern gelockt hast.«
»Dann war ich wahrscheinlich derjenige, der Kiki geholfen hat?«
Stürzenbecher zuckte mit den Schultern. »Einen Persilschein kriegt bei mir nicht mal der Bundeskanzler.«
»Hast du heute einen schlechten Tag?« erkundigte ich mich besorgt.
»Einen hundsmiserabelen. Außerdem hasse ich Beerdigungen.«
Gemeindedirektor Kleinmann nickte mir mit verkniffenem Gesicht zu. Die schwarze Anzugjacke spannte besorgniserregend über seinem Kugelbauch. Die anderen Trauergäste strömten inzwischen dem Friedhofsausgang entgegen. Stürzenbecher und ich schlossen uns dem Pulk an.
Vor dem Tor sagte Stürzenbecher: »Ich fahr dann mal wieder nach Münster.«
»Warum bist du eigentlich gekommen?« fragte ich.
»Ich wollte sehen, wie du reagierst.«
Kiki schwieg fast die ganze Fahrt bis zur Fähre in Den Helder. An der Anlegestelle konnte ich sie zu einer Portion Pommes überreden. Ich selbst genehmigte mir zusätzlich eine Fleischkrokette. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund schmecken die holländischen Pommes besser als die deutschen. Dabei sind es nicht mal die Holländer, sondern die Belgier, die die Kartoffelschnitzel erfunden haben.
Eine frische Nordseebrise wehte uns um die Ohren.
»Heute abend koche ich etwas Richtiges«, sagte Kiki. »Und dann machen wir ein Kaminfeuer. In dem Supermarkt, der zur Bungalowsiedlung gehört, gibt es auch Holzscheite.«
Ich nickte. Alles war mir lieber als diese trübsinnige Brüterei.
Ein paar Minuten später lief die Fähre ein, ein riesiger Pott, der die lange Autoschlange blitzschnell verschluckte.
Im Schiffsrestaurant nahm ich mein erstes appelgebak met slagroom zu mir. In Holland bin ich süchtig nach diesem Zeug. Allerdings erschöpfen sich die kulinarischen Fähigkeiten der Holländer auch in Pommes, Saté, Fla und Apfelkuchen.
Die Bungalowsiedlung lag in der Mitte zwischen Den Burg und dem Leuchtturm, in einer Gegend, die bis vor wenigen Jahren ausschließlich von Schafen heimgesucht wurde, einige Kilometer vom Meer entfernt, aber doch nahe genug dran, um ein bißchen Salz in der Luft zu riechen.
Die Straßen der Siedlung waren eng und verwinkelt, so daß wir einige Zeit herumkurven mußten, bis wir bei Bungalow Nummer 375 angelangt waren. Äußerlich sah er genauso aus wie Nummer 373 und Nummer 377, die Nachbarhäuser. Im Inneren hatte Kiki an einigen Stellen gegen die deutsche Ferienhausnorm verstoßen. So fehlten die typischen Blümchenbilder und die rotweißkarierten Lampenschirme.
Ich inspizierte die drei Schlafzimmer und entschied mich für eins in der oberen Etage mit angrenzender
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