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Kein Fall fuer Wilsberg

Kein Fall fuer Wilsberg

Titel: Kein Fall fuer Wilsberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kehrer
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für ausgeschlossen?«
    Sie sah mich an. »Und wenn es so gewesen wäre? Was ändert das heute noch?«
    »Es wäre eine Erklärung für die rosa Schleife.«

X
    Wir fuhren mit der Nachmittagsfähre zurück. Schreienden Kindern beim Bauen und Zerstören von Sandburgen zuzugucken (das Wetter hatte sich inzwischen wieder gebessert) – danach war uns beiden nicht mehr zumute. Erstmals, seitdem ich diesen unsäglichen Fall übernommen hatte, packte mich so etwas wie Jagdfieber. Außerdem lag mir das Friedhofsgespräch mit Stürzenbecher im Magen. Polizisten, die ihren ersten Verdächtigen laufenlassen müssen, sind unberechenbar. Die Öffentlichkeit und die Vorgesetzten wollen Erfolge sehen, und da wird schon mal das eine oder andere Beweismittel so gebogen, daß es zu einer Verhaftung reicht. Ehe Stürzenbecher auf die blöde Idee kam, meine Schwester zu verdächtigen, wollte ich ihm neues Futter liefern.
    Kiki bat mich um zweierlei. Erstens, die Sache diskret zu behandeln. Zweitens, sich vorübergehend bei mir einquartieren zu dürfen. Sie wollte nicht nach Warenfeld zurück, was ich persönlich gut verstand. Ich machte ihr allerdings klar, daß das nur eine sehr kurzfristige Lösung sein könne. Drei Zimmer/Küche/Bad hin oder her, die Wohnung sei zu klein für ein ungleiches Geschwisterpaar. Und was das Erste anging, versprach ich, ihre verschrobene Warenfelder Verwandtschaft und die Polizei vorläufig aus dem Spiel zu lassen. Bis zum ersten brauchbaren Hinweis.

    Auf der Fähre fiel mir ein alter Mann auf, der einige Meter von uns entfernt an der Reling stand. Irgendwie kam er mir bekannt vor. Ich dachte darüber nach und kam zu dem Ergebnis, daß er auf der Hinfahrt ebenfalls auf unserer Fähre gewesen war.
    Zu Hause hörte ich den Anrufbeantworter ab. Zweimal hatte der oder die Anrufer/in direkt wieder aufgelegt – ich tippte auf Nellie, – dann ertönte Sigis Stimme. Sie fragte, ob ich auf einen Sprung im Büro vorbeikommen könne, sie hätte etwas Wichtiges mit mir zu besprechen.
    Ich blätterte im Telefonbuch und wählte die Nummer eines ehemaligen Rechtsanwaltskollegen, von dem ich wußte, daß er auf Männer stand. Er erinnerte sich an mich, und ich brachte mein Anliegen vor. Er brauchte nicht lange zu überlegen und empfahl mir, es im Hauptbahnhof zu versuchen, entweder in der Halle oder auf dem Bahnsteig ohne Kennzeichnung, der sich in der Nähe des Ostausganges befinde. Da würden die Jüngsten ihre Ärsche anbieten.
    Nachdem Kiki ihre Sachen in meinem Arbeitszimmer, das über eine Schlafcouch verfügte, ausgebreitet hatte, inspizierte ich den Kühlschrank, der jedoch eine Atmosphäre gähnender Leere verbreitete. Also köpfte ich zwei Packungen Miracoli, und nach einer Viertelstunde stand ein dampfendes italienisches Nudelgericht auf dem Tisch. Laut Aufschrift sollte eine Packung für »2-3 Portionen« reichen, die Hersteller müssen dabei an Kleinkinder oder Hungerkünstler gedacht haben. Kiki und ich schafften jedenfalls alle sechs Portionen.
    Anschließend machten wir uns einen vegetarischen Abend – steif wie Broccoli vor dem Fernseher, wie Julia Roberts sagen würde.

    Am nächsten Morgen hinkte ich zum Prinzipalmarkt. Die Sonne brannte vom Himmel, und ich kam ganz schön ins Schwitzen.
    Auf dem Prinzipalmarkt war die Hölle los. Die Jubiläumsfete war entweder immer noch oder schon wieder im Gange. Bei näherem Hinsehen stellte ich fest, daß die Holzbuden ihr Aussehen geändert hatten. Sie sahen jetzt aus wie Klohäuschen mit Schwarzwaldtouch. Außerdem gab es weniger Bier und Bratwürste, dafür Panoramaansichten von Tallinn und Riga, verteilt von Gestalten in hinterwäldlerisch anmutenden Kostümen. Der Anlaß des Menschenauflaufs war, wie ich den Plakaten mit dem Signet des demolierten Fahrrads entnahm, der 13. Hansetag der Neuzeit, im Rahmen des Stadtjubiläums natürlich.
    In der Detektei empfing mich ein kühler, schwarzumrandeter Blick, der mich sofort die Hitze und den Trubel vergessen ließ.
    »Hallo, Aishe!« sagte ich.
    Sie lächelte spöttisch und konterte mit einem fast akzentfreien »Guten Tag, Herr Wilsberg!«
    »Ist Sigi da drin?« fragte ich.
    Sie nickte und erlaubte mir mit einer grazilen Handbewegung den Durchgang. Mein Entschluß, nicht wieder Mitbesitzer des Detektivbüros zu werden, geriet beinahe ins Wanken.
    »Es ist fürchterlich«, sagte Sigi, nachdem wir uns begrüßt hatten, »beinahe jede Woche veranstalten die da draußen ein Spektakel. Ich bin froh, wenn das

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