Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Fall fuer Wilsberg

Kein Fall fuer Wilsberg

Titel: Kein Fall fuer Wilsberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kehrer
Vom Netzwerk:
funktionale weiße Bungalow, in dem meine Schwester und ihr Gatte hausten, drückte sich wie ein häßlicher Pilzbefall an das Hauptgebäude.
    Ich parkte neben den anderen Autos, die auf dem kiesbestreuten Platz vor dem Portal herumstanden, und kletterte die fünf Stufen zur Tür hinauf. Klara, die Haushälterin, öffnete. Sie sah so aus, wie man sich Haushälterinnen eben vorstellt: alt, zäh, rundlich und mit einem Dutt.
    »Guten Abend, Herr Wilsberg!« sagte sie ohne jede Emotion. Sie wußte, daß ich bei Alfons Große-Hülskamp in Ungnade gefallen war.
    Als nächster kam Ludger, Jochens Bruder, das Geburtstagskind. Für einen knapp Dreißigjährigen hatte er eine erstaunlich schlaffe Kinnpartie. Und das, was sich um seine Hüften und vor allem am Gesäß knubbelte, waren keine Muskeln. Im Gegensatz zu seinem Bruder war er schon ziemlich aus dem Leim gegangen.
    Ich drückte ihm den Strauß Blumen in die Hand, den ich unterwegs gekauft hatte. In der Schnelle war mir nichts Besseres eingefallen. Er legte ihn mit leicht angewidertem Gesichtsausdruck auf eine Kommode, als wäre es ein Porno-Videoband ohne neutrale Verpackung.
    »Herzlichen Glückwunsch!« sagte ich.
    »Danke. Mit dir hatten wir überhaupt nicht gerechnet.«
    Das konnte ich mir vorstellen.
    Und endlich lockerte Kiki die Atmosphäre auf, indem sie in die Halle stürmte und mich umarmte. »Georg, das ist aber eine Überraschung!« Ihre Reise in die Karibik war unser kleines Geheimnis.
    Sie führte mich von der Halle in den nebenan gelegenen Eßsaal, in dem sich die Familie versammelt hatte. Von der Tür aus wirkte es wie eine Szene aus einem Ingmar Bergman-Film, erst beim Nähertreten merkte man, daß die Gesichter nicht ganz so edel und die Probleme nicht ganz so existentiell waren.
    An einem Ende des Tisches balgten sich ein paar Kinder, die sich von den Kommandos ihrer Mütter nicht beeindrucken ließen. Dann folgten die Männer, die sich angeregt unterhielten. Nach der Sitzordnung zu schließen, handelte es sich um weitläufige Verwandtschaft.
    Weiter oben saß Petra, Ludgers Frau, die ihren Kummer regelmäßig in Freßorgien und Hochprozentigem erstickte. Sie hatte bereits glasige Augen und drehte geistesabwesend an ihrem Ehering.
    Ich winkte der Schar der Cousins und Cousinen zu und begann das Händeschütteln bei Petra. Neben ihr saß Ursula, der gute Geist der Familie und lebenslänglich dazu verurteilt, Alfons’ Launen zu ertragen. Und am anderen Ende thronte er selbst, Alfons Große-Hülskamp, mißmutig wie eh und je. Ein dürrer Hühnerhals ragte aus einem drei Nummern zu großen, weißen Hemdkragen. Schmale Lippen, eine längliche, etwas nach unten gebogene Nase, die dem hageren, faltigen Gesicht den Ausdruck eines Vogels verlieh, der jederzeit bereit ist, den Wurm vor ihm aufzupicken. Über dem Gesicht glänzte ein bis auf einen schmalen Haarkranz kahler Schädel.
    »Sieh an, der Winkeladvokat!« rief Alfons.
    »Wie Sie wissen, habe ich meinen Beruf aufgegeben«, erwiderte ich.
    »So so. Verdienen Sie Ihr Geld endlich auf anständige Weise?«
    »Zur Zeit bin ich nicht berufstätig.«
    »Sie sind doch noch ein junger Mann. Warum arbeiten Sie nicht?«
    Ich hob den Stock mit dem silbernen Knauf. »Ich erhole mich von einem schweren Unfall.«
    »Wer die Gefahr sucht, darf sich nicht wundern, wenn er darin umkommt«, variierte er einen bekannten Sinnspruch.
    »Setzen Sie sich erst einmal!« schaltete sich Ursula ein. »Christiane hat Ihnen da drüben einen Stuhl reserviert.«
    Kiki hatte mich strategisch zwischen sich und Jochen plaziert. Ich begrüßte ihn, und er überspielte die dunklen Schatten unter seinen Augen mit einem halbfertigen Lächeln. Die Tolle, die in seine Stirn hineinragte, wirkte stumpfer als sonst. Ich machte eine entsprechende Bemerkung.
    »Ich bin überarbeitet, das ist alles«, sagte er. »Weißt du, wenn man in der heutigen Zeit eine Firma mit dreihundert Beschäftigten zu leiten hat, dann kann einem das schon manchmal den Schlaf rauben. Die Rezession ist an uns nicht spurlos vorübergegangen. Im nächsten Monat müssen wir Leute entlassen.«
    Er sprach mechanisch, als ob er den Vortrag schon oft gehalten hätte. Ich nickte.
    »Und wie geht’s dir?«
    »Mein Bein ist noch nicht völlig in Ordnung. Aber sonst geht’s mir gut. Ich war ein paar Monate in der Karibik. Kann ich nur allen empfehlen, die den Streß und die Kälte hier leid sind.«
    Er lächelte bitter. »Beneidenswert.«
    Klara schleppte eine Terrine mit Suppe

Weitere Kostenlose Bücher