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Kein Fall fuer Wilsberg

Kein Fall fuer Wilsberg

Titel: Kein Fall fuer Wilsberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kehrer
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herein und eröffnete damit das Abendessen. Es folgten ein Hirschragout mit Spätzle und Salat. Die Gespräche drehten sich um Belangloses, von der geplanten Umgehungsstraße bis zum öffentlichen Brunnen, der wegen Güllevergiftung stillgelegt werden mußte. Petra, die mir gegenübersaß, schaufelte Berge von Spätzle in sich hinein und reagierte auf die gezischelten Bemerkungen Ludgers wie ein Bronzebuddha, nämlich gar nicht. Ursula achtete darauf, daß alle genug auf ihren Tellern hatten, und Alfons lobte den Plan der Regierung, Karenztage einzuführen. Das würde den ewig krankfeiernden deutschen Arbeitern endlich wieder Disziplin beibringen. Ich hielt mich aus allem raus, denn ich wollte mir nicht schon vor dem Kaffee den Mund verbrennen.
    »Wie ist es denn so in der Stadt?« rief Ursula mir zu. »Hier auf dem Land kriegt man ja nichts mit.«
    »Ich war in der letzten Zeit kaum da«, gab ich zurück. »Ich interessiere mich jetzt auch für das Landleben, allerdings auf einem anderen Erdteil.«
    Alles in allem war es so stinklangweilig, wie ich vermutet hatte, nur das Dessert (Rote Grütze mit Sahne) konnte meine Laune etwas aufheitern.
    Nach dem Kaffee fragte ich Jochen: »Gibt es hier einen Ort, an dem man in Ruhe einen Zigarillo rauchen kann?«
    »Ich weiß etwas Besseres«, sagte er. »Komm mit in die Bibliothek!«
    Vorbei an der müder und quengeliger gewordenen Kinderschar durchschritten wir die Eingangshalle. Jochen öffnete die Tür zu einem Raum, in dem lauter alte und ungelesene Bücher standen. In einem antiken Kamin prasselte ein Feuer, das ein dienstbarer Geist rechtzeitig entzündet hatte.
    Der tiefere Sinn der Bibliothek lagerte in einem Schränkchen, aus dem Jochen zwei Gläser und eine Flasche Cognac entnahm. Es handelte sich, wie ich mit einem flüchtigen Blick auf das Etikett feststellte, nicht um einen neueren Jahrgang.
    »Was hältst du von einer Havanna?« fragte er.
    Ich mußte zugeben, daß auch münsterländische Millionäre etwas von Lebensstil verstehen.
    Die Havannas lagerten fachgerecht in einer Kühlbox. Wir schraubten die silbrigen Hüllen auf, knipsten die Enden ab und brachten die dicken Stengel zum Dampfen.
    Ich betrachtete das lebensgroße Porträt eines alten Knaben, dessen stechende grauen Augen den Raum bewachten. »Wer ist das?«
    »Max Große-Hülskamp, mein Großvater, der Gründer der Firmendynastie.«
    Jetzt erkannte ich die Ähnlichkeit mit Alfons. Der Maler hatte sich keine Mühe gegeben, seinen Auftraggeber zu verschönern.
    »Bleibst du heute nacht hier?« fragte Jochen, als wir vor dem Feuer saßen.
    »Wenn ich noch einen Cognac trinke, wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben.«
    »Kiki hat ein Bett für dich bezogen – in unserem Haus.«
    Wir rauchten und guckten ins Feuer. »Ein schönes Ding«, bemerkte ich.
    »Bitte?«
    »Der Kamin.«
    »Ach so. 19. Jahrhundert. Wir haben ihn von einem Bauernhof. Der Bauer hatte ihn ausgebaut, weil er mehr Platz im Wohnzimmer brauchte. Die Leute hier in der Gegend haben ja keine Ahnung von Ästhetik.«
    Ich beugte mich vor und lugte in die riesige Abzugshaube. »Fehlen nur die Würste und Schinken.«
    Jochen grinste matt. »Du bist nicht zufällig hier, nicht wahr?«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich weiß, daß Kiki nach Amerika geflogen ist. Sie hat dich gesucht.«
    Ich blickte ihn an, sagte aber nichts.
    »Sie macht sich Sorgen. Sie glaubt, daß ich erpreßt werde.«
    »Und? Stimmt das?«
    »Nein. Da ist nichts dran. Die Firma steht auf der Kippe. Wir haben Probleme mit der Liquidität. Wenn das Telefon klingelt, kann es jemand sein, der eine unangenehme Nachricht bringt. Ich bin in letzter Zeit etwas nervös, na und? Die Arbeiter wissen, daß wir einen Teil der Belegschaft abbauen müssen. Einer von denen, die es trifft, war so unverschämt, mir einen anonymen Brief zu schicken.«
    »Was stand drin?«
    »›Wir kriegen dich, du Sau!‹ oder so ähnlich. Ich habe ihn sofort weggeworfen.«
    Ein brennender Holzscheit kippte um, und Jochen stocherte mit einem Schürhaken in der Glut herum.
    »Du machst Geschäfte mit arabischen Staaten«, sagte ich.
    Er schnaubte. »Das ist es also? Du wirst dich wundern, aber die Geschäfte sind völlig legal. Wir haben noch immer eine Exportgenehmigung bekommen.«
    »Aber es handelt sich um dual use -Produkte.«
    Er sah mich kurz an. »Kiki plaudert aus dem Nähkästchen. Ich hoffe, du rennst damit nicht zum Spiegel oder Stern.«
    »Keine Sorge. Ich gehöre ja zur Familie.«
    »Zur Familie,

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