Kein Fleisch macht gluecklich
ein. (Ein Vierteljahr später hält sie tatsächlich noch immer durch!) Jetzt bestellt sie immerhin einen vegetarischen Wrap zum »Buschteller« mit Heuschrecken und Schwarzkäferlarven. Ein wenig »echtes« Fleisch ist allerdings auch dabei: vom Känguru und Krokodil. Das ist nichts für mich, ich bestelle den Wrap veganisiert und die Insekten einzeln, jeweils drei. Sie stammen von einem Züchter, werden lebend geliefert, im Tiefkühler getötet und dann frittiert. Zufällig läuft »Mad World«, das Lied vom Tierbefreierkongress, im Hintergrund, als ich die hübsch angerichteten Tierleichen serviert bekomme. »Ich glaube, ich kriege Alpträume«, lautet Steffis erste Reaktion, »das ist wie Regenwürmer essen.« Der Veganer muss erst mal vorkosten. »Die lebt doch noch«, ruft Steffi, als ich mir eine der Käferlarven näher anschaue. Tut sie natürlich nicht. Sie ist ganz kross und erinnert mich in ihrer Konsistenz an gebratene Fischflossen. Die Larven haben den im Hals leicht brennenden Geschmack von Ziegenkäse. Die Heuschrecken sind ein wenig nussig. So frittiert jedenfalls ist bei beiden Tieren der Eigengeschmack gering, die Substanz auch.
Herr Ober! In meinem Salat sind Käfer.
»Manchmal gibt es schon diese Momente, wo ich daran denke, was vorher war, bevor das Fleisch auf meinem Teller landete«, sagt Steffi. »Wo ich mich frage, was muss passieren, damit meine Wurst aufs Brot kommt?« Aber das sei nicht immer präsent. Sie wisse, dass vieles im Argen liege und dass sie mit ihrem Verhalten etwas beeinflussen könne, aber dennoch nicht immer danach handle. »Mit der Tierhaltung, die für mich akzeptabel wäre, lässt sich ja nur sehr wenig Fleisch herstellen. Da dürfte ich eigentlich nur einmal die Woche Fleisch essen oder sogar nur alle zwei Wochen«, sagt sie. Gern würde sie alle Fleisch- und Wurstwaren von dem schwäbischen Rinderflüsterer Maier beziehen. Außerdem wünscht sie sich ein eindeutiges und aussagekräftiges Siegel: »So was wie Fairtrade für Tiere, mit Kontrollen ohne Ausnahmen.« Der Wunsch könnte theoretisch mehrheitsfähig sein. 62 Prozent der EU-Bürger wollen laut einer Umfrage ihre Essgewohnheiten ändern und überwiegend »tierfreundliche« Produkte konsumieren. Die Toleranz der Kontrollbehörden hat Steffi beim Lesen meines Kapitels besonders aufgeregt. Und dass, wie sie sagt, »man auch Biofleisch nicht mit gutem Gewissen essen kann, es sei denn, man kennt den Hof«.
Jetzt beißt Steffi erst mal in eine Heuschrecke. Genuss sieht anders aus. »Ist ja gar nichts dran«, findet sie. »Ungewöhnlich und nicht schlecht. Bis auf das, was sich nicht zerkauen ließ … War wahrscheinlich ein Auge.« Sie sucht vergebens ihre Käferlarven unter den Salatblättern. »Vielleicht kommen sie ja gleich rausgekrabbelt.« Kommen sie nicht. Sie reklamiert: »Entschuldigung, meine Maden fehlen.« Man bringt sie in einer als Körbchen aufgeschnittenen Zitrone.
Ausnahmeregelungen
Steffi will von mir wissen, ob ich nicht Fleisch aus idealen Haltungsbedingungen essen würde, wenigstens gelegentlich, nicht regelmäßig. So wie das Fleisch von Herrn Maier, »der noch mit dem Tier gekuschelt hat, als es schon tot war. Dem es gut ging, wo man sagen würde, das war ein gutes Rinderleben«. Warum ich mir nicht mal aus vollem Genuss eine Scheibe Fleisch gönne und am nächsten Tag wieder vegan lebe. »Ich würde als Veganer einmal im Monat einen Fleischtag einlegen«, sagt sie, korrigiert sich aber gleich: »Ich würde als Vegetarier einmal im Monat einen Fleischtag einlegen. Ich würde sofort Vegetarier werden, wenn ich alles, was ich essen will, selber schlachten müsste. Dann würde ich mir vielleicht noch eine Heuschrecke rösten. Wenn sie jemand anderes für mich tot macht. Fleisch würde ich mir verkneifen, aber es würde mir fehlen.« Mir fehlt es glücklicherweise inzwischen nicht mehr. Selbst das Fleisch von Bauer Maiers Rindern will ich nicht, noch nicht einmal, wenn die Tiere tot gestreichelt würden. Das Fleisch der Maier-Rinder schmeckt sicher noch besser als ein Steak aus Seitan. Aber was folgt daraus? Der Verhaltensforscher Jonathan Balcombe zitiert in seinem Buch Tierisch vergnügt den griechischen Schriftsteller Plutarch aus dem 1. Jahrhundert n. Chr.: »Für einen Bissen Fleisch nehmen wir einer Seele die Sonne und das Licht und verkürzen ihre Lebenszeit in einer Welt, in die sie geboren wurde, um Freude zu erleben.« Auch wenn ich Ausnahmen von meinen selbst gewählten Regeln nicht
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