Kein Fleisch macht gluecklich
2007 hält hinsichtlich der Spaltenweite kaum einer der Halter die aktuellen Vorschriften der Schweinehaltungsverordnung ein. Die Behörden tolerieren es. Legt man innerhalb der Schweinehaltungsverordnung einmal Verbesserungen für die Tiere fest, enthalten diese oft zusätzliche Formulierungen, die das Geforderte gleich wieder aufheben. Begründet wird so etwas dann mit einem Bestandsschutz für bereits schon länger genehmigte Haltungseinrichtungen, der technischen oder baulichen Unvereinbarkeit der Maßnahme mit der bestehenden Anlage oder gar mit dem Schutz der Tiere – wie etwa bei Amputationen und Ähnlichem, um gegenseitige Verletzungen zu verhindern.
Zwei Drittel aller Schweine leben auf Vollspaltenböden, ein weiteres Viertel lebt auf Teilspaltenböden. Kot und Urin werden darunter gesammelt. Das riecht natürlich nicht gut und ist eine Qual, gerade für Tiere wie Schweine, die einen noch stärker entwickelten Geruchssinn als Hunde haben. Ohne Einstreu leiden die Tiere erheblich an der mit Ammoniak belasteten Luft, die zu Lungenschäden führt. Häufig werden die Schweine von Husten geplagt. Die Lüftungskontrolle erfolgt oft automatisch. Fällt die Belüftung aus, kommt es bei den Tieren schnell zu Sauerstoffmangel und Ammoniakvergiftungen. Wird dabei kein Alarm ausgelöst oder dieser ignoriert, können so mal eben 1000 Schweine ersticken. Dies ist durchaus schon vorgekommen, zum Beispiel im Mai 2011 im Kreis Mansfeld-Südharz. Im thüringischen Alkersleben traf es im Juni 2011 gar über 3000 Ferkel.
In den Genuss von Böden mit Einstreu kommen nur 6 Prozent der Schweine, und in Freilandhaltung leben abgerundet 0 Prozent (dahinter verbergen sich gerade einmal 51500 Haltungsplätze von insgesamt über 29 Millionen). Selbst die Bioschweine leben beileibe nicht alle im Freiland. Laut des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft hat ein Biomastschwein wenigstens doppelt so viel Platz im Stall wie die konventionellen Leidensgenossen, das sind dann sage und schreibe anderthalb Quadratmeter. Zudem haben sie ein Anrecht auf eine Auslauffläch e im Freien. Nur ist die oft winzig und erinnert eher an eine Art Außenklo.
Neben Atemwegsproblemen sind auch weitere Erkrankungen aufgrund von Züchtung und Haltung verbreitet. Jans Film zeigt Schweine mit großen blutroten Abszessen an den Beinen, die mich an Fruchtbonbons erinnern. Schweine, so erfahre ich später aus tierärztlicher Literatur, ertragen, ähnlich wie Rinder, selbst starke Schmerzen oft lautlos. »Manche Mäster legen kranke Schweine in den Zwischengang«, erzählt Jan, »wo sie keinen Zugang zu Wasser und Futter haben. Sie lassen sie dort sterben, weil das billiger ist, als sie vom Tierarzt totspritzen zu lassen.«
Keine Glücksschweine
Auf der laut Nutztierhaltungsverordnung vorgeschriebenen Fläche von drei viertel Quadratmeter pro Schwein können Mastschweine um 100 Kilo mit einer Länge von 1,2 Meter natürlich nicht zwischen Liege-, Kot- und Fressplatz trennen. Jan zeigt mir Aufnahmen, auf denen ein Schwein einem anderen ins Gesicht pinkelt, das aus Platzmangel nicht ausweichen kann. Die Enge ist durchaus beabsichtigt, weil die Tiere schneller zunehmen, wenn sie sich weniger bewegen. Sich gleichzeitig mit anderen Tieren abzulegen, ist auch nicht möglich. Zwar bevorzugen Schweine, gemeinsam zu fressen, doch statt des empfohlenen Verhältnisses von einem Fressplatz pro Tier kommen meist zehn oder mehr Tiere auf einen Fressplatz.
Nach der Nutztierhaltungsverordnung muss den Schweinen Beschäftigungsmaterial zur Verfügung stehen, das sie untersuchen und verändern können. Da auf Vollspaltenböden Stroh zum Spielen nicht geeignet ist, hängen in der Praxis meist nur Metallketten mit einem Stück Holz zum Draufherumnagen von der Decke. Das wird schnell langweilig. Das Minimum an Vorgaben der Nutztierhaltungsverordnung reicht daher keinesfalls aus. Aus Mangel an Beschäftigung, aufgrund eines gestörten Soziallebens und der massiven Einschränkung sonstiger Bedürfnisse sind Aggressionen und krankhafte Verhaltensweisen wie Stangenbeißen und Kannibalismus, also das Anknabbern von Artgenossen, weit verbreitet. Statt die Haltungsbedingungen zu ändern, bedient man sich anderer Methoden. Ein Präparat namens »Kani-Stopp« wirbt damit, dass es gegen das unerwünschte kannibalistische Verhalten helfen soll und somit »Leistungsdepressionen« aufgrund von Verletzungen vermeide. Wie bei den anderen Nutztieren wird auch bei Schweinen das, was nicht
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