Kein Fleisch macht gluecklich
passt, passend gemacht. Damit die Tiere sich ihre Ringelschwänze nicht gegenseitig abfressen, kupiert man diese – meist ohne Betäubung. Das Tierschutzgesetz verbietet das Kupieren eigentlich, ermöglicht aber genügend Ausnahmen, die nahezu ausnahmslos genutzt werden. Im Schlachthaus erkennt man Bioschweine an den noch intakten Schwänzen. Alternativ oder zusätzlich zur Schwanzamputation schleift oder kneift man die Eckzähne ab oder hält die Tiere in überwiegend dunklen Ställen im künstlichen Dämmerlicht. Dabei sind Schweine tagaktive Tiere. Wie Versuche gezeigt haben, ziehen sie 17 Stunden am Tag eine Beleuchtung vor, wenn man ihnen die Wahl lässt.
Kastratenfleisch
Es erscheint unter den oben genannten Bedingungen fast tröstlich, dass die Lebensdauer von Mastschweinen inzwischen nur noch ein halbes Jahr beträgt. Zu diesem Zeitpunkt sind die meisten von ihnen gerade geschlechtsreif. Damit die männlichen Tiere keinen Ebergeruch entwickeln, der vom Verbraucher nicht gewünscht ist, kastriert man über 20 Millionen im Jahr – meist ebenfalls ohne Betäubung. Auch das wünscht der Verbraucher vermutlich nicht, ist aber bis zum Alter von acht Tagen laut Tierschutzgesetz erlaubt. Das Gesetz verlangt zwar, »alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Schmerzen oder Leiden der Tiere zu vermindern«, doch sogar eine anschließende Schmerzbehandlung bleibt häufig aus. Ein Kollege von Jan wurde Vegetarier, nachdem er bei einer betäubungslosen Ferkelkastration zugesehen hatte. Wer ihm nacheifern möchte, findet passendes Videomaterial im Internet. Die Bundestierärztekammer und andere Tierärzteverbände fordern eine schnellstmögliche Beendigung der betäubungslosen Kastration, auch wenn es ihrer Ansicht nach aufgrund der Größe der Bestände derzeit noch keine praxistaugliche Alternative gibt. Langfristig soll auf die Kastration ganz verzichtet werden. In den Niederlanden werden bereits 40 Prozent aller Eber nicht mehr kastriert, berichtet die Interessengemeinschaft der Schweinehalter. Die dortigen Supermärkte dürfen nämlich nur noch Fleisch von betäubt kastrierten Ferkeln verkaufen, das vermutlich teurer ist. Holländisches Kastratenfleisch wandert daher verstärkt in den Export. In Deutschland soll die betäubungslose Kastration 2017 verboten werden. In der ökologischen Tierhaltung ist sie bereits seit 2012 nicht mehr erlaubt.
Ökosäue
Bioschweine sind rar. Lediglich 150000 Schweine (ein gutes halbes Prozent der amtlichen Schweinezählung vom März 2011) werden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes »ökologisch bewirtschaftet«. Die niedrige Zahl erscheint mir umso erstaunlicher, weil ich häufig von Leuten höre, dass sie »nur noch Biofleisch« kaufen. Aber in meinem Umfeld essen ja auch alle »schon viel weniger Fleisch als früher«. Diesem Trend eifert die Mehrheit wohl noch nicht nach.
Überrascht bin ich, dass 2011 im gesamten Lebensmittelsektor der Umsatz mit Bioprodukten lediglich bei 3,7 Prozent lag. Der Bioumsatz in Deutschland ist zwar mit über 6,5 Milliarden Euro der größte in Europa, doch anteilig führt Dänemark mit gut 7, gefolgt von Österreich und der Schweiz mit etwa 6 Prozent am jeweiligen Lebensmittelumsatz.
Ob Biofleisch wirklich die bessere Wahl ist, will ich von Jan wissen. »Jahrelang habe ich empfohlen: wenn Fleisch, dann bitte bio«, sagt er. »Aber seit ich die Biorecherche gemacht habe, kann ich den Leuten, die aus Tierschutzgründen kein Fleisch aus Massentierhaltung essen wollen, weil sie der Meinung sind, dass die Tiere dort nicht artgerecht gehalten werden, auch Biofleisch nicht mehr mit ruhigem Gewissen empfehlen. Aus meiner Sicht geht es den Tieren in der Biohaltung nicht besser, weil es selbst hier in erster Linie meist nicht um das Wohl der Tiere, sondern um Wirtschaftlichkeit geht.«
Zucht und Ordnung
Die Zuchtsauen zur Ferkelerzeugung leben zu 83 Prozent in Betrieben mit 100 und mehr Tieren. Klar, dass auch die moderne Zuchtsau Höchstleistungen bringen muss, was bedeutet, dass sie in zwei bis drei Würfen pro Jahr insgesamt etwa 25 Ferkel in die Welt setzt. Mit Hormonspritzen sorgt man für synchrone Schwangerschaften und Abferkeltermine. Jan zeigt mir Videoaufnahmen von festgeketteten trächtigen Säuen, die in langen Reihen in sogenannten Abferkelungsbuchten stehen. Dort werden die Säue spätestens in der letzten Woche der Schwangerschaft bis zum Abstillen der Ferkel gehalten. Üblicherweise verbringen sie schon die ersten vier Wochen nach
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