Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Freibier für Matzbach

Kein Freibier für Matzbach

Titel: Kein Freibier für Matzbach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
alle aus solidem massivem Stein. Das schwere Hoftor ließ sich von innen mit einem Schloß und einem dicken Balken versperren; die übrigen Außentore der einstigen Ställe und der Scheune waren bei den Renovierungen zugemauert worden.
    Die Frauen kannten einander seit etwa sechzehn Jahren. Rapunzel hatte mit achtzehn geheiratet und schnell Kinder gekriegt; mit achtundzwanzig wurde sie Witwe, als ihr Mann – damals dreiunddreißig, Kulturredakteur beim WDR – allzu eilig zu einer Vernissage wollte und auf der Landstraße riskant überholte. Der Unfall machte noch eine weitere Frau zur Witwe: Im Wagen hatte auch der ausstellende Maler gesessen, abgeholt in Brenig, wo er mit seiner Langzeitgeliebten und seit drei Monaten legitimen Gemahlin (»erbberechtigt«, sagte sie kühl) Hermine Päffgen auf dem Ahnengehöft hauste. Die Schnitzerin arbeitete die geziemende Trauerzeit mit Ebenholzwerken ab und nutzte die weitläufigen Räume der Hofanlage. Rapunzel hatte mit Hilfe von Bekannten einen Job als Sekretärin in einem Bonner Rundfunk- und Fernsehstudio bekommen und die Kinder großgezogen; Hermine hatte mit »Gebrauchskunst« genug verdient, um das Gehöft behalten und ausbauen zu können.
    »Und seine Lebensversicherung, klar – steckt zum Teil hier drin.« Sie öffnete die Tür zu einem der ehemaligen Stallgebäude, das an der Ostseite des Hof-Rechtecks lag. Es war etwa zwanzig Meter lang und zwölf Meter breit: ein riesiger, lichtdurchfluteter Raum, über drei Meter hoch. Irgendwo führte noch eine Treppe nach oben, wo Matzbach die gleichen Bedingungen ein weiteres Mal vermutete. Der gesamte untere Raum war ein Schnitzatelier, vollgestellt mit Möbeln, Werkbänken, Sägeböcken, Drechseln und zahlreichen anderen Dingen, deren korrekte Bezeichnungen er nicht einmal ahnte. Er gab gebührend beeindruckte Laute von sich; langsam wanderte er im Zickzack zwischen Geräten und Werkstücken umher, blieb kurz vor einer hölzernen Pietà stehen, musterte die Sammlung langer, kurzer, dünner, gerader, krummer Schnitzmesser, bestaunte einen wütenden Elefantenbullen (mit mächtiger Erektion) aus Kirschbaum, schwieg ergriffen ob der perfekten Wiedergabe aller Muskeln und Sehnen eines im Yoga-Kopfstand befindlichen nackten halbfetten Mannes (Mahagoni) und fuhr behutsam mit den Fingerkuppen über die Furchen im Teakgesicht einer älteren Dame, die ihm irgendwie bekannt vorkam;
    »Das bringt die dicke Knete«, sagte Rapunzel mit einem leichten Glucksen. »Büsten.«
    »Für jene Edlen unter uns, denen Öl auf Leinwand zu schäbig ist?« sagte Matzbach. »Ei wie ergreifend. Wer ist das hier noch mal?«
    Päffgen nannte den Namen einer Industriellengattin aus Düsseldorf. »Sie wissen ja, warum die Mädels auf der Kö keine Spirale benutzen, oder?«
    »Ich bekenne bedauernd meine profunde Ignoranz.«
    »Weil es die noch nicht von Cartier gibt.«
    »Au. Aber überzeugend.«
    Sie nickte. »Düsseldorf, Neuss, Köln – alles, was da ausreichend gut betucht ist, um auch ohne Handicap die Beiträge für den Golfclub zu zahlen, kommt für so was in Frage. Und wenn’s nicht teuer genug ist, kann’s auch nicht taugen. Da helfe ich ab.«
    Bisweilen, sagte sie, schnitze sie als besondere Spezialität sozusagen auch Euphemismen jener Art, die man tunlichst nicht außen an Wohnungs- oder Haustüren anbringen sollte. Matzbach fand die Idee eines handgeschnitzten Euphemismus’ viel zu reizvoll, als daß er gefragt hätte, was er sich darunter vorzustellen habe.
    Über dem Atelier befanden sich weitläufige Gemächer, ausreichend zur Aufnahme einer halben Sippe; die andere Stallung sehe ähnlich aus, sagte Päffgen; allerdings stehe sie im Moment leer. Früher habe dort Monsieur Nr. 1 gemalt, zuletzt sei Monsieur Nr. 2 scheidungswütig ausgezogen, unter Mitnahme einer juristischen Fachbibliothek und einer unermeßlichen elektrischen Bahnanlage.
    »Ich kannte mal einen«, sagte Matzbach, »der mit so einer Spielzeugeisenbahn Goldfische spazierengefahren hat. Tat Monsieur derlei?«
    »Monsieur hat derlei unterlassen. Mein Gott, welche Aufwallungen an Phantasie trauen Sie einem Juristen zu?«
    »Ich unterlasse ebenfalls etwas, nämlich die Frage nach seinen sonstigen Qualitäten.«
    Päffgen hob die Schultern. »Ach, er hatte seine guten Seiten, vor allem unten. Zufrieden?«
    »Nicht ganz.« Während sie zum Haupthaus zurückgingen, riet Matzbach dazu, die unteren Fenster abends mit Läden zu verrammeln und möglichst das Haupthaus geschlossen zu

Weitere Kostenlose Bücher