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Kein Friede den Toten

Kein Friede den Toten

Titel: Kein Friede den Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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und warte nur auf die Auflösung der Versteckten Kamera, in der Stephen lächelnd und unverletzt aus der Kulisse trat.
    »Aber jetzt fühlt sich die Welt vollkommen anders an, oder, Matt?«
    Er nickte.
    »Statt das Böse für einen Alptraum zu halten, aus dem man erwachen könnte«, fuhr sie fort, »halten Sie jetzt das Gute für eine Illusion. Und genau das hat dieser Anruf auf Ihrem Fotohandy mit Ihnen gemacht. Es hat Sie aus dem schönen Traum gerissen.«
    Er bekam kein Wort heraus.
    »Ich weiß, dass ich nie über das hinwegkommen werde, was geschehen ist«, sagte Sonya McGrath. »Das ist einfach unmöglich. Aber ich dachte … ich habe gehofft, Sie könnten es.«
    Matt wartete. Aber sie sprach nicht weiter. Sie stand plötzlich auf, als hätte sie schon zu viel gesagt. Gemeinsam gingen sie zum Ausgang. Sonya gab ihm einen Kuss auf die Wange, und bei der Umarmung hielten sich beide länger fest als sonst. Wie immer spürte er die Trostlosigkeit, die von ihr ausging. Stephens Tod war immer da, begleitete sie auf Schritt und Tritt, zeigte sich in jeder ihrer Gesten.

    »Wenn Sie mich brauchen«, flüsterte sie, »rufen Sie mich an. Jederzeit.«
    »Mach ich.«
    Er sah ihr nach. Er dachte darüber nach, was sie gesagt hatte, über den schmalen Grat zwischen bösen und guten Träumen, und als sie schließlich um die Ecke verschwunden war, drehte auch er sich um und ging.

12
    Als Matt in die Kanzlei kam, sagte Rolanda: »Cingle erwartet dich in deinem Büro.«
    »Danke.«
    »Midlife hat gesagt, ich soll ihm sofort Bescheid geben, wenn du reinkommst.« Sie sah ihn fragend an. »Bist du schon da?«
    »Gib mir noch fünf Minuten.«
    Sie drehte sich um und begann zu tippen. Matt ging in sein Büro. Cingle Shaker stand am Fenster und sah hinaus. »Schöner Ausblick«, sagte sie.
    »Findest du?«
    »Nee. Ist nur meine seltsame Vorstellung von Smalltalk.«
    »Klappt ja schon ganz ordentlich«, sagte er.
    »Ich dachte, du bist nur Sachbearbeiter.«
    »Bin ich.«
    »Wie kommst du dann zu dem schicken Büro?«
    »Das war früher das Büro meines Bruders.«
    »Und?«
    »Und Bernie war ein Staranwalt in der Kanzlei.«
    »Und?« Cingle sah ihn an. »Das soll jetzt nicht kaltherzig klingen, aber er ist tot.«
    »Ich finde, du bist eben zu streng zu dir gewesen. Du machst das echt gut mit dem Smalltalk.«

    »Nein, ich meine, es ist jetzt ungefähr drei Jahre her, dass er gestorben ist. Wieso schmeißen die einen Exknacki, der gerade mal als Sachbearbeiter tätig ist, nicht irgendwann raus?«
    Er lächelte. »Ich hatte schon verstanden, was du meinst.«
    »Also, was läuft hier?«
    »Vielleicht als Respektsbezeugung meinem Bruder gegenüber?«
    »Bei Anwälten?« Cingle verzog das Gesicht. »Ich bitte dich.«
    »Eigentlich glaube ich, dass sie mich gern dabeihaben.«
    »Weil du so ein netter Kerl bist?«
    »Wegen des Exknacki-Aspekts. Ich bin was Besonderes.«
    Cingle nickte. »Etwa so, als würde man ein lesbisches Paar zu einer vornehmen Abendgesellschaft einladen.«
    »So was in der Art, aber noch ein bisschen ausgefallener. Es ist schon komisch. Für Anwälte bin ich fast schon der Gipfel der Absonderlichkeit. Wenn sie betrunken sind, fragen mich alle klammheimlich, wie es wirklich ist, wenn ein Mann aus ihren Kreisen in …«, er malte mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft, »… den Bau geht.«
    »Du bist eine kleine Berühmtheit.«
    »In gewisser Weise schon.«
    »Und deshalb werfen sie dich nicht aus dem Büro?«
    Er zuckte die Achseln.
    »Vielleicht haben sie auch Angst vor dir«, sagte Cingle. »Schließlich hast du schon mal mit bloßen Händen einen Menschen umgebracht.«
    Er seufzte und setzte sich. Cingle setzte sich ebenfalls.
    »Entschuldigung«, sagte sie.
    Er winkte ab. »Was gibt’s?«
    Cingle schlug die Beine übereinander. Er wusste, dass sie damit Eindruck schinden wollte, fragte sich aber gleichzeitig, ob ihr diese Bewegung schon so in Fleisch und Blut übergegangen
war, dass sie sie gar nicht mehr bemerkte. »Dann erzähl mir mal«, sagte sie, »warum ich das Kennzeichen überprüfen sollte.«
    Er hob die Hände. »Müssen wir die Bedeutung von ›privat‹ jetzt wirklich noch mal durchdeklinieren?«
    »Nur wenn ich dir erzählen soll, was du wissen willst.«
    »Du hast dich also inzwischen auf Erpressung verlegt.«
    Er sah jedoch, dass sie es ernst meinte.
    »Ich glaube, er ist mir gefolgt«, sagte Matt.
    »Wie kommst du darauf?«
    »Wie soll ich wohl darauf kommen? Ich war an verschiedenen

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