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Kein Friede den Toten

Kein Friede den Toten

Titel: Kein Friede den Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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darüber nach. Sie war Olivia nie begegnet, wusste aber mehr über Matts Beziehung zu ihr als jeder andere. Sie wandte den Blick ab.
    »Was ist?«, fragte er.
    »Ich suche nur nach einer logischen Erklärung für ihr Verhalten.«
    »Und?«
    »Und bisher habe ich keine gefunden.« Sie zuckte die Achseln und trank einen Schluck Kaffee. »Mir ist Ihre Beziehung zu Olivia schon immer etwas eigentümlich vorgekommen.«
    »Inwiefern?«
    »Es ist wohl die Art, wie Sie sich zehn Jahre nach einem One-Night-Stand aneinander geklammert haben.«
    »Es war kein One-Night-Stand. Wir haben nicht miteinander geschlafen.«
    »Und genau das könnte das Problem sein.«
    »Ich versteh nicht, was Sie meinen.«
    »Vielleicht wäre der Zauber längst verflogen, wenn Sie damals miteinander geschlafen hätten. Es heißt, miteinander zu schlafen wäre die intimste Sache der Welt. In Wirklichkeit ist es oft genau das Gegenteil.«

    Er wartete.
    »Na ja, ein seltsamer Zufall ist es aber schon«, sagte sie.
    »Was?«
    »Clark hat eine Affäre.«
    Matt fragte nicht, ob sie sich sicher war oder woher sie das wusste. Er sagte nur: »Das tut mir Leid.«
    »Es ist nicht so, wie Sie denken.«
    Er sagte nichts.
    »Es hat nicht mit dem zu tun, was mit unserem Sohn geschehen ist.«
    Matt versuchte zu nicken.
    »Wir neigen dazu, Stephens Tod für all unsere Probleme verantwortlich zu machen. Für uns ist er der große Das-Leben-istunfair-Joker, und wir ziehen ihn bei jeder erdenklichen Gelegenheit. Aber der Grund für Clarks Affäre ist viel elementarer.«
    »Und der wäre?«
    »Er ist geil.«
    Sie lächelte. Matt versuchte, das Lächeln zu erwidern.
    »Oh, habe ich schon erwähnt, dass sie jung ist? Die Frau, mit der Clark ins Bett geht?«
    »Nein.«
    »Zweiunddreißig. So alt wie unsere eine Tochter.«
    »Tut mir Leid«, wiederholte Matt.
    »Nicht nötig. Das ist nur die Kehrseite dessen, was ich vorhin gesagt habe. Über Intimität und Sex.«
    »Wieso?«
    »Wie die meisten Frauen meines Alters habe ich nur noch sehr wenig Interesse an Sex. Ich weiß, dass Cosmopolitan und dergleichen Ihnen was anderes erzählen, zusammen mit dem ganzen Unsinn, dass Männer mit neunzehn und Frauen mit Anfang dreißig am heißesten sind. Aber in Wirklichkeit sind Männer immer geiler als Frauen, Punkt. Für mich hat Sex nichts mehr mit Intimität zu tun. Clark hingegen braucht ihn. Und
mehr ist diese junge Frau für ihn nicht. Nur Sex. Eine Möglichkeit sich zu erleichtern. Eine körperliche Notwendigkeit.«
    »Und das stört Sie nicht?«
    »Um mich geht es dabei nicht.«
    Matt sagte nichts.
    »Wenn Sie darüber nachdenken, ist es ganz einfach: Clark braucht etwas, das ich ihm nicht geben will. Also sucht er es sich woanders.« Sonya sah seinen Gesichtsausdruck. Sie seufzte und legte die Hände auf die Oberschenkel. »Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Wenn Clark, sagen wir mal, gerne Poker spielen würde und ich keine Lust dazu …«
    »Ach, kommen Sie, Sonya. Das ist nicht dasselbe.«
    »Ach, irgendwie schon.«
    »Sex und Poker?«
    »Gut, in Ordnung, bleiben wir beim Körperlichen. Eine professionelle Massage. Clark lässt sich jede Woche im Club von einem Masseur namens Gary durchkneten.«
    »Auch das ist nicht dasselbe.«
    »Natürlich ist es dasselbe. Beim Sex mit diesem Mädchen geht es ihm nicht um Intimität. Es ist eine rein körperliche Angelegenheit. Wie eine Massage oder ein Händeschütteln. Warum sollte ich also was dagegen haben?«
    Sonya sah ihn an und wartete auf seine Antwort.
    »Ich hätte ganz gewaltig was dagegen«, sagte Matt.
    Sie lächelte dezent. Sonya mochte solche Gedankenspiele. Sie provozierte gern. Er fragte sich, ob sie das, was sie gesagt hatte, tatsächlich glaubte oder ob sie ihn nur zum Widerspruch hatte reizen wollen. »Und was haben Sie jetzt vor?«, fragte sie.
    »Olivia kommt morgen nach Hause.«
    »Und Sie glauben, Sie können so lange warten?«
    »Ich werd’s versuchen.«
    Sie starrte ihn an.

    »Was ist?«, fragte er.
    »Wir können dem nicht entkommen, oder? Ich dachte …« Sie brach ab.
    »Was dachten Sie?«
    Sie schauten sich in die Augen. »Ich weiß, dass es furchtbar klischeehaft klingt, aber es kam mir damals alles wie ein Alptraum vor. Die Nachricht von Stephen. Der Prozess. Ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, dass ich aufwache und feststelle, dass alles nur ein grausamer Scherz und in Wirklichkeit alles in Ordnung ist.«
    Ihm war es genauso ergangen. Er war sich vorgekommen, als sei er in einem bösen Traum gefangen

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