Kein Friede den Toten
dann wieder Matt zu und sagte: »Sie sind ja betrunken.«
»Ja, aber morgen bin ich wieder nüchtern, und du bist immer noch ein Grünschnabel.«
Jetzt streckte er Matt den Kopf entgegen: »Na, und wollen Sie, dass ich Sie nach Downtown schleppe und Sie da pusten lasse?«
»Erstens«, Matt hob den Zeigefinger, »ist das Polizeirevier in Livingston nicht Downtown. Es ist eher Midtown. Sie haben sich zu viele Wiederholungen von NYPD Blue angesehen. Zweitens fahre ich nicht, Hohlkopf, ich weiß also beim besten Willen nicht, was Ihnen ein Alkoholtest jetzt bringen sollte. Drittens, wo wir gerade beim Atem sind und Sie direkt in der Windrichtung stehen, ich habe ein paar Pfefferminz in der Tasche. Ich werde jetzt langsam danach greifen, dann können Sie sich eine Pastille nehmen. Oder auch die ganze Packung.«
Ein weiterer Cop stand auf. »Machen Sie, dass Sie hier rauskommen, Hunter.«
Matt drehte sich zu ihm um und kniff die Augen zusammen. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er den frettchengesichtigen Mann erkannt hatte. »Mein Gott, Fleisher, stimmt’s? Sie sind Dougies kleiner Bruder.«
»Keiner will Sie hier haben.«
»Keiner …? Ist das euer Ernst? Wollt ihr mich jetzt aus der
Stadt jagen? Sie«, Matt deutete mit dem Finger, »Fleishers kleiner Bruder, wie heißen Sie mit Vornamen?«
Er antwortete nicht.
»Ist ja auch egal. Ihr Bruder war der größte Kiffer in der Klasse. Er hat die ganze Schule mit Stoff beliefert. Wir haben ihn ›Weed‹ genannt, verdammt nochmal.«
»Wollen Sie meinen Bruder verunglimpfen?«
»Ich will ihn nicht verunglimpfen. Ich sag nur die Wahrheit.«
»Wollen Sie die Nacht in der Zelle verbringen?«
»Wieso denn, Sie Schwachkopf? Wollen Sie mich wegen irgendwelcher erfundener Vorwürfe festnehmen? Machen Sie doch. Ich arbeite in einer Anwaltskanzlei. Ich verklage Sie so lange, bis Ihnen nur noch Ihr mickriger Abschluss bleibt, den Sie mit Mühe und Not auf dem zweitem Bildungsweg geschafft haben.«
Wieder wurden Stühle gerückt. Ein weiterer Polizist stand auf. Dann noch einer. Matts Herz fing an, Twostep zu tanzen. Irgendjemand streckte die Hand aus und ergriff sein rechtes Handgelenk. Matt versuchte, die Hand wegzuziehen. Er ballte sie zur Faust.
»Matt?«
Die Stimme klang freundlich und erinnerte ihn an etwas aus ferner Vergangenheit. Matt sah in Richtung Theke. Pete Appel. Sein alter Freund aus der High School. Er hatte mit ihm im Riker Hill Park gespielt. Während des Kalten Krieges war der Park noch eine Raketenabschussbasis gewesen. Pete und er hatten dort auf zerborstenen Betonplatten mit Raumschiffen gespielt. So etwas gab es nur in New Jersey.
Pete lächelte ihm zu. Matt öffnete die Faust. Die Polizisten blieben, wo sie waren.
»Hey, Pete.«
»Hey, Matt.«
»Das freut mich aber, Mann.«
»Mich auch«, sagte Pete. »Pass auf, ich mach jetzt Schluss. Wie wär’s, wenn ich dich nach Hause fahre?«
Matt sah die Polizisten an. Einige waren rot im Gesicht. Sie waren bereit zuzuschlagen. Er wandte sich wieder an seinen alten Freund. »Schon in Ordnung, Pete. Ich komm auch allein nach Hause.«
»Bist du sicher?«
»Ja. Hör mal, tut mir Leid, wenn ich dir irgendwelche Schwierigkeiten gemacht habe.«
Pete nickte. »Schön, dich zu sehen.«
»Dich auch.«
Matt wartete. Zwei Polizisten machten ihm Platz. Als er aus der Tür auf den Parkplatz trat, drehte er sich nicht noch einmal um. Er sog die Nachtluft ein und ging die Straße entlang. Kurz darauf begann er zu rennen.
Ein bestimmtes Ziel hatte er nicht.
17
Lance Banner lächelte Loren immer noch an. »Komm, steig ein«, sagte er. »Dann können wir uns in Ruhe unterhalten.«
Sie warf noch einen Blick auf Marsha Hunters Haus und setzte sich dann auf den Beifahrersitz. Lance fuhr im alten Viertel herum.
»Und?«, fragte er, »was wolltest du von Matts Schwägerin?«
Sie verpflichtete ihn zur Geheimhaltung, erzählte ihm aber trotzdem nur die Grundzüge: Sie ermittelte im ungeklärten Tod von Schwester Mary Rose, wobei sie sich nicht einmal sicher waren, ob es sich wirklich um einen Mord handelte, und Schwester Mary Rose hatte vermutlich Marsha Hunters Anschluss angerufen. Von den Brustimplantaten oder der Tatsache,
dass sie die richtige Identität der Nonne bisher nicht kannten, sagte sie ihm nichts.
Lance wusste, dass Matt Hunter jetzt verheiratet war und als niederer, misstrauisch beäugter Sachbearbeiter in der Kanzlei angestellt war, für die sein Bruder früher gearbeitet hatte. Matt Hunters
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