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Kein Friede den Toten

Kein Friede den Toten

Titel: Kein Friede den Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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es. Außerdem lag eine gewisse Feindseligkeit in seiner Stimme. Der Wodka machte ihn wütend, oder um genauer zu sein, er erlaubte ihm, seine Wut herauszulassen. Inzwischen hoffte er, dass es Ärger geben würde, obwohl er sich gleichzeitig davor fürchtete. Die Wut half ihm, sich auf das Wichtige zu konzentrieren. Das wollte er jedenfalls glauben. Seine Gedanken wurden klarer. Er wusste jetzt, was er wollte. Er wollte Streit. Er wollte sich mit jemandem prügeln. Es interessierte ihn nicht, ob er jemanden zusammenschlug oder ob er zusammengeschlagen wurde.
    Es war ihm egal.
    Matt fragte sich, woher das kam – diese Lust auf Gewalt. Über den Ursprung des Ganzen. Vielleicht hatte sein alter Kumpel Detective Lance Banner doch Recht? Das Gefängnis verändert einen. Man geht als Mensch hinein, selbst wenn man unschuldig ist, und kommt als ein anderer Mensch wieder heraus …
    Detective Lance Banner.
    Der selbsternannte Wächter am Eingangstor Livingstons. Der verdammte Bauerntölpel.
    Die Zeit verging. Er wusste nicht, wie lange er schon hier saß. Schließlich bedeutete er Mel, dass er zahlen wollte. Als er vom Hocker stieg, beschwerte sich sein Kopf massiv. Er klammerte sich an die Theke und sammelte sich. »Bis später, Mel.«
    »War nett, dich zu sehen, Matt.«
    Er schlängelte sich nach draußen, wobei ihm ein Name nicht mehr aus dem Kopf ging.
    Detective Lance Banner.
    Matt erinnerte sich an eine Begebenheit in der zweiten Klasse. Als sie in der Pause Four Squares gespielt hatten – das blödeste Spiel seit Pendelball –, war Lances Hose zerrissen. Richtig schlimm war die Sache erst dadurch geworden, dass Lance an diesem Tag keine Unterhose getragen hatte.
So war ein Spitzname entstanden, den Lance bis zur Mittelschule nicht wieder losgeworden war. »Keep It In Your Pants, Lance.«
    Matt lachte laut auf.
    Dann hatte er Lances Stimme wieder im Ohr. Das ist ein anständiges Viertel hier.
    »Ehrlich?«, fragte Matt laut. »Tragen jetzt alle Kinder Unterhosen?«
    Wieder lachte Matt über seinen eigenen Witz. Das Lachen hallte durch die Kneipe, trotzdem beachtete ihn niemand.
    Er stieß die Tür auf. Es war dunkel geworden. Als er die Straße entlangschwankte, amüsierte er sich weiter über seinen Witz. Sein Wagen stand in der Nähe des Hauses. Daneben standen zwei Nachbarn aus dem Viertel und tranken aus braunen Papiertüten.
    Einer der beiden … Obdachlosen war wohl der aktuelle politisch korrekte Begriff, wobei diese beiden sich einfach als Penner bezeichneten, rief ihm zu: »Yo, Matt.«
    »Wie geht’s, Lawrence.«
    »Alter Kumpel.« Er hob die Tüte. »Willst du ’nen Schluck?«
    »Nee.«
    »Yo«, sagte Lawrence mit einer weit ausholenden Geste. »Hast schon genug, was?«
    Matt lächelte. Er griff in die Tasche und zog einen Zwanziger raus. »Besorgt euch ’ne Flasche von dem Guten. Geht auf mich.«
    Ein breites Lächeln ging über Lawrences Gesicht. »Du bist echt in Ordnung, Matt.«
    »Ja. Ja, ich bin was ganz Besonderes.«
    Lawrence lachte, als wäre das einer der Höhepunkte aus Richard Pryors Standup-Comedy gewesen. Matt winkte ihnen kurz zu und ging. Er griff in die Tasche und zog den Autoschlüssel
heraus. Er sah erst den Schlüssel an, dann seinen Wagen, dann hielt er inne.
    Er war voll.
    Matt war unvernünftig. Er machte dumme Sachen. Er wollte sich mit jemandem prügeln – Lance Banner war die Nummer zwei auf seiner Liste (die Nummer eins war Charles Talley, aber Matt wusste nicht, wo er ihn finden sollte) –, aber so unvernünftig war er dann doch noch nicht. Er würde in diesem Zustand nicht Auto fahren.
    Lawrence sagte: »Yo, Matt, willst du ein bisschen mit uns rumhängen?«
    »Vielleicht später, Jungs.«
    Matt drehte sich um und ging zurück zur Grove Street. Der 70er Bus fuhr nach Livingston. Er schwankte an der Haltestelle wie ein Ast im Wind. Er war der Einzige, der dort wartete. Zu dieser Tageszeit kamen die Fahrgäste vorwiegend aus der anderen Richtung – ausgelaugte Hausangestellte, die aus den wohlhabenden Vororten in ihre bescheidenen Behausungen zurückkehrten.
    Willkommen zurück auf der Schattenseite der Vororte.
    Als die Linie 70 kam, beobachtete Matt, wie die erschöpften Frauen wie Zombies aus dem Bus stiegen. Keine sagte etwas. Keine lächelte. Niemand holte sie ab und freute sich, dass sie da waren.
    Die Busfahrt war nur etwa fünfzehn Kilometer lang, aber das waren nicht irgendwelche fünfzehn Kilometer. Aus der Verdammnis Newarks und Irvingtons gelangte man

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