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Kein Friede den Toten

Kein Friede den Toten

Titel: Kein Friede den Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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auf und holte das Ladekabel heraus. Sie steckte ein Ende in den Zigarettenanzünder und das andere ins Telefon. Das Display schaltete sich ein und verriet ihr, dass sie drei Nachrichten hatte.
    Die erste war von ihrer Mutter. »Hi, Schatz«, sagte Mom eigenartig sanft. Sie sprach in ihrem offiziellen Tonfall, den sie sich normalerweise für Situationen aufsparte, in denen sie fürchtete, jemand könnte sie hören und ihre mütterliche Eignung danach bewerten. »Ich hab gedacht, ich bestell uns bei Renatos eine Pizza und hol noch einen Film von Blockbuster – der neue Russell Crowe ist auf DVD erschienen –, dann können wir vielleicht einen Mädchenabend machen. Nur wir beide. Was hältst du davon?«
    Loren schüttelte den Kopf und versuchte, ihre Rührung zu unterdrücken, doch die Tränen waren schon da – sie standen ihr zwar nicht in den Augen, lauerten aber direkt unter der Oberfläche. Mom. Jedes Mal wenn sie sie endgültig abgeschrieben hatte, wenn sie wirklich sauer auf sie war, sie ganz aus ihrem Leben verbannen und ihr ein für alle Mal die Schuld am Selbstmord ihres Vaters geben wollte, gelang es Mom, etwas Überraschendes zu sagen und sich selbst wieder ein Stück vom Rand des Abgrunds wegzuziehen.
    »Ja«, sagte Loren leise. »Das wäre schön.«
    Der zweite und der dritte Anruf machten diesen Gedanken zunichte. Beide stammten von ihrem Chef, County-Staatsanwalt Ed Steinberg, und waren so knapp gehalten, wie es nur ging. Der erste lautete: »Rufen Sie mich sofort an!« Der zweite: »Wo zum Teufel sind Sie? Rufen Sie mich an. Jederzeit. Wir stehen vor einer Katastrophe.«
    Ed Steinberg stand nicht in dem Ruf zu übertreiben oder Leute aufzufordern, ihn jederzeit anzurufen. In diesem Punkt
war er eher altmodisch. Irgendwo hatte Loren seine Privatnummer  – unglücklicherweise nicht hier im Auto –, aber sie hatte ihn noch nie zu Hause angerufen. Steinberg wollte in seiner Freizeit nicht gestört werden. Sein Motto lautete: Erst mal leben. Die Arbeit hat Zeit. Normalerweise ging er um fünf nach Hause, nach sechs hatte sie ihn noch nie im Büro gesehen.
    Es war halb sieben. Sie entschloss sich, es zuerst in seinem Büro zu versuchen. Vielleicht war Thelma, seine Sekretärin, noch da. Sie würde wissen, wo sie ihn erreichen konnte. Nach dem ersten Klingeln war Ed Steinberg persönlich am Apparat. Das war kein gutes Zeichen.
    »Wo sind Sie?«, fragte Steinberg.
    »Auf dem Heimweg von Delaware.«
    »Kommen Sie sofort her. Wir haben ein Problem.«

18
    Las Vegas, Nevada, FBI Field Office
John Lawrence Bailey Building
Office of the Special Agent in Charge
     
    Für John Adam Yates begann der Tag wie jeder andere.
    So wollte er es jedenfalls gern sehen. Im übergeordneten Sinne war natürlich kein Tag wirklich wie ein anderer – seit zehn Jahren nicht mehr. Damals war seine Zeit eigentlich abgelaufen, und so wartete er täglich darauf, dass die letzte Klappe für ihn fiel. Selbst jetzt, wo die meisten Menschen davon ausgegangen wären, dass sie die Fehler der Vergangenheit endgültig hinter sich gelassen hatten, nagte die Angst noch in seinem Hinterkopf.
    Yates war damals ein junger Geheimagent gewesen. Jetzt, zehn Jahre später, war er der SAC – der Special Agent in Charge  –, der leitende FBI-Agent für ganz Nevada. Es war einer der
besten Jobs, den das FBI zu bieten hatte. Er hatte sich hochgearbeitet. Es hatte die ganze Zeit nicht den geringsten Ärger gegeben.
    Als er also an diesem Morgen zur Arbeit ging, ließ sich der Tag an wie jeder andere.
    Als jedoch sein wichtigster Berater, Cal Dollinger, in sein Büro kam, obwohl die beiden seit fast zehn Jahren nicht mehr über den Vorfall gesprochen hatten, verriet ihm etwas im Gesicht seines Freundes, dass der Tag gekommen war. Der Tag, von dem sie seit zehn Jahren gehofft hatten, dass er nie kommen würde.
    Yates warf kurz einen Blick auf das Foto auf seinem Schreibtisch. Es war ein Familienfoto – er, Bess, die drei Kinder. Die Mädchen waren jetzt Teenager, und es gab keine Schulung, die einen Vater wirklich darauf vorbereiten konnte. Yates blieb sitzen. Er trug Freizeitkleidung – Khakis, keine Socken, farbenfrohes Polohemd.
    Cal Dollinger blieb vor dem Schreibtisch stehen und wartete. Cal war riesig – zwei Meter groß und knapp hundertvierzig Kilo schwer. Adam und Cal kannten sich seit Ewigkeiten. Zum ersten Mal waren sie sich mit acht Jahren in Mrs Colberts dritter Klasse in der Collingwood Elementary School begegnet. Manche

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