Kein ganzes Leben lang (German Edition)
weinend anrufen, weil sie zwischen Windeln und Fläschchen keine Zeile zu Papier bekommt.“
„Da wär ich mal nicht so sicher“, bemerkte Lucrezia, ohne ihren Blick von dem Fenster abzuwenden.
„Was meinst du?“
„Sie hat noch nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als ihr euch begrüßt habt.“
„Ja und?“
„Sie ist entschlossen.“
„Zu was?“
„Dir eine Lektion zu erteilen.“ Lucrezia drehte sich nun doch zu ihm um. Er sah sie einen Augenblick sprachlos an. Dann fiel bei ihm der Groschen.
„Du hast davon gewusst?“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
„Klar. Wir sind gute Freundinnen.“
„Und du hast mir nichts gesagt?“ Er sah sie mit zusammengekniffenen Augen an.
„Nein“, bestätigte sie.
„Wie nein? Sag mal, spinnst du?“ Er lief hochrot an.
„Sie hat es mir im Vertrauen gesagt.“
„Ach, und da dir Vertrauen ja heilig ist, hast du es für dich behalten“, sagte Christiano spöttisch. Seine Worte trafen ihren schwachen Punkt. Den Punkt, den sie nicht mehr gerechtfertigt bekam, seit Anna Bescheid wusste.
„Du hast mich ins offene Messer laufen lassen. Was für ein Spiel spielst du eigentlich?“ Christiano hatte seine Stimme erhoben.
„Ich spiele überhaupt kein Spiel. Aber was hast du denn gedacht? Dass Anna einfach die Hände in den Schoß legt?“
Das Taxi hielt an einer roten Ampel. Lucrezia beobachtete ein Kind, das ihrer Mutter das Eishörnchen ins Gesicht drückte. Statt zu lachen, verspürte sie eine tiefe Traurigkeit.
„Madame, darum geht es gerade nicht. Es geht um mein Vertrauen, das du missbraucht hast für deine Spielchen.“ Er dehnte die Worte in die Länge.
„Du redest von Vertrauen? Ein Mann, der seine Frau an der Geburt ihres Kindes betrügt?“ Lucrezia verlor die Fassung. Sie schoss zurück, ohne es zu wollen.
Der Taxifahrer drehte sich entsetzt um und sah Christiano missbilligend an.
„Und Sie schauen weiter nach vorne. Das geht Sie gar nichts an“, fuhr Christiano den Taxifahrer an, der sich eilig wieder der Fahrtrichtung zuwandte.
Lucrezia hatte plötzlich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Sie öffnete die Wagentür und stieg aus. Sie atmete tief die frische Luft ein. Zufrieden stellte sie fest, dass ihr natürlicher Schutzmechanismus noch funktionierte. Wenn es eng wurde, einfach gehen.
„Lucrezia, was soll das? Drehen denn jetzt alle durch?“
Sie drehte sich noch einmal um. Christianos hochroter Kopf steckte aus der geöffneten Tür. Sie erhaschte einen Blick auf den Taxifahrer, der den Daumen zustimmend hochhielt. Sie grinste und eilte davon.
Christiano lehnte sich im Sitz zurück. Das durfte doch nicht wahr sein.
„Die Frau hat Format“, bemerkte der Taxifahrer.
„Jetzt fangen Sie nicht auch noch an. Bringen Sie mich lieber ins Büro“, entgegnete Christiano ungehalten. Hatte sich denn heute alles gegen ihn verschworen? Wer fragte eigentlich, wie es ihm bei alldem ging?
Wütend wählte er Annas Nummer. Sie schuldete ihm eine Erklärung.
Nach dem zweiten Klingeln nahm sie ab.
„Was willst du?“
„Ich bin immer noch dein Mann, falls dir das entfallen ist.“
„Woran du dich nicht immer zu erinnern scheinst“, erwiderte sie.
„Was sollte der Auftritt?“ Christiano überging ihre spitze Bemerkung.
„Ich habe wieder angefangen zu arbeiten. Dass du auf der Gegenseite bist, ist Zufall.“
„Und das soll ich dir glauben?“
„Du nimmst dich wie immer zu wichtig. Glaub es oder lass es. Es ist mir egal“, entgegnete sie gleichgültig.
„Ist das die Rache der intelligenten Hausfrau, dem untreuen Mann im Büro dazwischenzukommen? Kannst du nicht meine Anzüge zerschneiden oder mein Auto zerkratzen wie andere rachsüchtige Ehefrauen?“ Ihre Gleichgültigkeit reizte ihn.
„Deine Bemerkung spricht Bände, wie du über mich denkst“, entgegnete sie kühl.
„So habe ich das nicht gemeint“, lenkte er ein, „ich wollte nur verletzend sein. Tut mir leid“, fügte er leise hinzu.
Anna schwieg.
„Anna, es war auch deine Entscheidung, deinen Job aufzugeben“, gab er nach einer Weile zu bedenken.
„Und es war ein Fehler, den ich jetzt bereinige. Ich habe zu tun, wie du weißt. Auf Wiedersehen, Christiano.“ Sie legte auf.
Entgeistert starrte Christiano auf sein Handy.
„Das träum ich doch jetzt“, murmelte er.
Lucrezia saß in einem Straßencafé und trank einen Martini, obwohl es viel zu früh war. Sie öffnete ihre große Handtasche, nahm ein Paar schwarze Flip-Flops heraus
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