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Kein ganzes Leben lang (German Edition)

Kein ganzes Leben lang (German Edition)

Titel: Kein ganzes Leben lang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Benke
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auf dem Weg ins Büro geholt. Ihr Arbeitsleben lag so lange zurück, und heute war es wieder lebendig.
    Als sie am Empfang ihre Besucherkarte bekamen, nahm ihre Nervosität wieder zu. Der Altbau, in dem das Kosmetikunternehmen untergebracht war, war prunkvoll. Die Eingangshalle hatte meterhohe Decken. Fresken und Marmor schmückten großzügig die Wände. Drei ausladende Kronleuchter ließen den Raum in gleißendem Licht erstrahlen. Für einen kurzen Augenblick vergaß Anna ihre Nervosität. „Das Gebäude ist wunderschön.“
    „Leider ist nicht genug Platz. Ein Großteil der Mitarbeiter ist nach außerhalb ausgelagert worden. Nicht ideal. Aber das Management will dieses Gebäude nur ungern aufgeben.“ Anna blickte auf. Eine junge Frau war neben sie getreten. Sie trug einen akkuraten Pagenschnitt. Eine strenge Hornbrille versuchte vergeblich, von ihren jungen Gesichtszügen abzulenken. „Ich bin Giulia, die Assistentin von Bruna Pellegrini.“ Sie reichte Anna ihre Hand. „Sie müssen Anna Denkel sein.“
    „Bitte folgen Sie mir.“
    Annas Nervosität kroch die Wirbelsäule hoch. Nur wenige Minuten trennten sie von der Begegnung mit Christiano. Sie war mittlerweile überzeugt, dass das Ganze eine Schnapsidee war und sie sich, Paul und Christiano fürchterlich blamieren würde.
    Wie unprofessionell, dachte sie. Ein Unternehmen steht vor dem Aus, und ich missbrauche diese Lage für meinen eigenen Vorteil. Die vielen Menschen kamen ihr in den Sinn, deren Arbeitsplätze und Existenzen bedroht waren. Am liebsten wäre sie im Erdboden versunken. Im Aufzug erhaschte sie einen Blick auf ihr Spiegelbild. Erstaunlicherweise wirkte sie ruhig, die innere Anspannung war ihr nicht anzumerken. Es war wie früher. Sie hatte einen kühlen Panzer um die elektrischen Ladungen gebaut, die ihren Körper durchzuckten. Sie beruhigte sich etwas. Sie musste nur eines tun, gut sein. Als die Aufzugstüren sich öffneten, erstreckte sich ein langer Korridor vor ihnen. Die alten Fliesen waren wunderschön verziert. Wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre, hätte sie sich für die Schönheit dieses Palazzos begeistert. Sie liefen den Gang entlang. Hier und da passierten sie Sitzgelegenheiten, die aus hellem Leder bestanden. Schließlich hielt die junge Frau vor zwei schweren Flügeltüren an. „Da wären wir. Machen Sie es sich schon einmal bequem.“
    Die dunklen Türen wirkten bedrohlich.
    Mit einem Schwung hatte Paul sie geöffnet. Dann standen sie im Raum. Anna sah ihn sofort. Christiano nippte an einer Tasse Kaffee. Er trug seine Brille und blickte beiläufig über die Brillenränder, als sie eintraten. Er verschluckte sich und hustete. Sein Gesichtsausdruck wechselte von Arroganz zu Erstaunen. Er sah kurz zu Lucrezia, die nur mit den Schultern zuckte. Es dauerte nur wenige Sekunden, dann hatte er sich wieder im Griff. Ein Schmunzeln ergriff seine Lippen. Er stand auf und kam auf sie zu. Mit Genugtuung sah Anna, dass er immer noch den Verband trug.
    „Christiano Rumi, angenehm.“ Er reichte Paul seine gesunde Hand. Sein Englisch war noch immer hervorragend.
    Dann trat er auf sie zu. Seine türkisen Augen funkelten. Seine Arroganz nahm ihr für einen Augenblick die Luft. Sie widerstand der Versuchung zurückzuweichen und nahm seine Hand. „Kennen wir uns?“ In seiner Stimme schwang Spott mit, der nur für sie bestimmt war.
    „Nein, wir hatten bisher noch nicht das Vergnügen.“ Anna wunderte sich, wie kühl sie klang.
    „Dafür jetzt umso mehr. Ich höre, Sie sind unser Wachhund.“ Er nahm seiner Bemerkung mit einem Lachen die Schärfe.
    Paul entging die Spannung, die in der Luft lag.
    „Ich würde es so nicht nennen. Sie wird Ihnen helfen. Setzen wir uns doch.“
    „Gerne“, sagte Christiano, ohne seinen Blick von ihr zu wenden. Bevor er ihre Hand losließ, flüsterte er ihr zu:
    „Was zum Teufel tust du hier? Wo ist Laura?“
    „Erstens arbeiten, zweitens bei unserer Haushälterin.“
    „Bei unserer Haush...“
    „Jetzt tu nicht so“, zischte sie.
    „Weißt du, worauf du dich einlässt?“, er sah sie stirnrunzelnd an.
    „Krieg“, flüsterte sie und sah ihn fest an. Die Nervosität war verschwunden. Ihre stahlblauen Augen waren aus Eis. Christiano stockte.
    „Hatten Sie einen Unfall?“, fragte Anna laut und deutete auf seine verbundene Hand. Ohne seine Antwort abzuwarten, wandte sie sich Lucrezia zu, die ein Lachen unterdrückte. Sie begrüßte sie und setzte sich neben Paul.
    Aus dem Augenwinkel

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