Kein Job fuer schwache Nerven
der Tür vorbeiging und sich dachte: » Mensch, hier muss ich mal aufräumen. « Wir haben diesen kleinen Werkstattraum so in Ordnung gebracht, dass die Person, die als nächste hier reinsehen würde, die Tür beruhigt wieder schließen und sich sagen konnte: » Das hier hat erst mal Zeit.«
Wir haben auch die Glastür wieder geflickt. Wir haben die Scherben eingesammelt und dann mit Panzerband und schwarzer Plastikfolie die Tür abgedichtet. Das sah ordentlich aus und hielt auch erst mal den Regen ab. Da muss nicht die Witwe als Nächstes am Montag sofort die Tür reparieren lassen, die ihre Tochter eingetreten hatte, beim vergeblichen Versuch, ihren Vater zu retten. Und wir haben uns um die Wäsche gekümmert.
Auch das kann passieren. Man wischt gerade schmieriges Blut von einer Schubladenfront, und auf einmal hört man so ein Piepsen. Man steht auf, geht raus, sucht die Quelle des Geräuschs und merkt: Die Waschmaschine meldet, dass sie gerade fertig ist. Soll man dann raufgehen zu den Trauernden und sagen: » Herzliches Beileid, aber die Buntwäsche ist jetzt durch«? Soll man es einfach stillschweigend ignorieren, und am Donnerstag kommt die Witwe in den Keller und zerrt weinend die vermoderte Wäsche aus der Maschine? Das ist doch alles keine gute Lösung. Also haben wir die Wäsche rausgeholt, in den Trockner gesteckt, sie anschließend trocken in einen Wäschekorb gestapelt und beim Verabschieden kurz Bescheid gesagt.
Der Abschied verlief genauso sachlich wie die Ankunft. Ich habe den Schwiegersohn zu mir gelotst, ihm gesagt, dass er jetzt den Keller begutachten könne. Er meinte, das habe er schon gemacht, und dann hat er uns – auch das nicht unfreundlich – sehr zügig hinauskomplimentiert.
Es war das erste Mal, dass wir nicht in näheren Kontakt mit den unmittelbar Betroffenen, den direkten Hinterbliebenen kamen. Und ich weiß heute noch nicht so genau, was ich davon halten soll. Es ist für mich ein ganz seltsames Gefühl, ich finde, irgendwie fehlt was. Ich habe nicht alles gesehen, ich habe nicht alle kennengelernt, ich habe den Fall nicht restlos abgearbeitet. Das ist ein wenig wie – man möge mich jetzt bitte nicht falsch verstehen – wie ein Steak ohne Kartoffeln, man ist nicht so richtig satt. Aber andererseits geht’s hier ja auch nicht um mich, und da wiederum hat der Schwiegersohn unsere eigene Politik fast noch konsequenter verfolgt als wir selbst. Es geht schließlich in solchen Fällen immer darum, dass die traumatisierten Hinterbliebenen in eine Wohnung zurückkehren können, die keine Spuren des Vorgefallenen mehr aufweist. Aber letzten Endes ist die Tatsache, dass wir am Tatort sind und nicht ein ganz normaler Bestatter, auch eine Art Indiz dafür, dass etwas Ungewöhnliches, in diesem Fall sogar sehr Blutiges, vorgefallen ist. Und der Schwiegersohn hat dementsprechend versucht, uns so unsichtbar wie möglich zu machen.
Tatsächlich hab’ ich dann an den folgenden Tagen drüber nachgedacht, ob wir nicht eine Art Paravent mitnehmen sollten, so was in der Art von den Zelten, mit denen die Kanalarbeiter ihre Gullys abdecken, oder eines von diesen viereckigen Partyzelten, bloß ohne Dach. Davon hätte ich sogar schon eines zu Hause. Und wenn das noch öfter in der Form passiert, dann packe ich’s wohl als Dauerequipment in unseren Transporter.
18 . Böser Onkel
Ich habe anfangs geschummelt. Oder untertrieben, das ist Ansichtssache. Am Anfang dieses Buchs, als ich geschrieben habe, unsere Arbeit sei eine Sucht, das Verlangen nach der neuen, größeren, schwierigeren Herausforderung. Das ist schon wahr und richtig, aber wenn man ehrlich ist, geht diese Sucht viel weiter, und sie besteht aus mehreren unglaublich verführerischen Teilen. Und ich bin mir nicht sicher, ob jemand, der das liest, anschließend den Menschen, der so empfindet, der so tickt wie ich, ob der den dann noch so richtig sympathisch finden wird. Aber ich denke, wenn ich über das schreibe, was ich erlebe, wenn ich die Wohnungen analysiere, in denen ich arbeite, wenn ich in das Leben dieser lebenden und toten Menschen eindringe, und wenn ich all das hier ausbreite, dann kann man auch verlangen, dass ich ehrlich zu mir bin, und wenn ich das bin, kann ich nicht oft genug betonen: Ich bin ein Helfer, aber ich bin kein selbstloser Helfer. Und besonders deutlich geworden ist mir das in Krailling, als ich zusah, wie meine Frau weinend Spielsachen in Kartons packte.
Ich will diesmal nicht zu sehr ins Detail gehen. Das
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