Kein Job fuer schwache Nerven
Sonderangebotsregale vom Standpunkt des Wischenden aus zu begutachten. Und hinterher gab’s als Belohnung die Gitterregale, in denen all die Billigwaren gelegen hatten – vom Prinzip her reinigten sich die wie besonders widerborstige Einkaufswagen, weil diese Regale noch stabiler sein müssen und daher noch mehr Querstreben haben, sodass man fortwährend an vier oder fünf Zentimeter breiten Drahtquadraten herumpoliert. Schon klar: Der Schmutz klebt da nicht wie bei einem Grill, aber dafür geht es einfach nicht und nicht voran. Wir waren hinterher so genervt, als hätten wir eine Vier-Zimmer-Wohnung komplett ausgeräumt.
Andererseits: Nach insgesamt sechs Stunden konnte die Leiterin ihren Supermarkt wieder öffnen, noch am selben Tag. Vielleicht lag es auch daran, dass der Markt hinterher die Kosten für die Reinigung gern übernommen hat, aus Kulanz, zur Kundenpflege. Denn rein rechtlich hätte ja auch hier das Verursacherprinzip gegolten. Da greift keine Krankenkasse: Wer stirbt, zahlt – beziehungsweise hinterher die Erben.
27 . Fliegenlos
Manchmal muss man als Tatortreiniger für die seltsamsten Dinge dankbar sein. Zum Beispiel für deutsche Schaben, weil sie mir den bislang seltsamsten Fall meiner Reinigerkarriere beschert haben. Oder nein, eigentlich muss man nicht den deutschen Schaben dankbar sein, sondern den orientalischen. Wobei, das ist auch nicht richtig. Korrekt wäre: den Bauarbeiten. Ja, das stimmt wohl noch am ehesten. Denn angefangen hat der Fall mit schlichten Bauarbeiten in einem mehrstöckigen alten Münchner Mietshaus, eine Art Generalsanierung am bewohnten Objekt.
Angerufen hat uns die Betreiberin des Cafés, das sich unten im Haus befand. Sie hatte plötzlich eine Schabenplage vor Ort und zwar vom Feinsten. Schaben in den Fluren, Schaben im Erdgeschoss, Schaben auf dem Bürgersteig, im Lokal, überall. Sie konnte sich nicht erklären, wo die auf einmal alle herkamen. Ich schon, als ich vor Ort eintraf.
Die Schaben waren orientalische Schaben. Das hat mit der Herkunft nichts zu tun, das ist einfach eine Gattungsbezeichnung, und diese Schabe ist in München stark verbreitet und schon lange heimisch. Sie wohnt in Kellern, ist genügsam, fällt normalerweise nicht auf und geht auch nicht unbedingt ins Café nebenan, wenn sie in ihrem Keller genug Futter findet. Sie ist allerdings in einem Punkt dem Menschen sehr nahe: Sie mag keinen Baulärm. Und als die Arbeiten im Haus anfingen, als neue Wasserleitungen verlegt wurden, vom Keller bis rauf in den obersten Stock, als das Gerüttel und Geratter begann, das auch den normalen Mieter nervt, da beschlossen die Schaben, sich aus dem Keller zu verdrücken.
Normalerweise dürfte so was nicht passieren, was ich aber auch nur deshalb weiß, weil ich ja von der Feuerwehr komme. Die Versorgungsschächte, durch die die Schaben abhauen, müssten nämlich aus feuerschutztechnischen Gründen zwischen den Etagen abgedichtet sein, wegen der Rauchausbreitung. Rauch ist eines der Hauptprobleme beim Feuer, Rauch kann Etagen blockieren, in denen es noch nicht mal brennt. Und wenn eine Etage rauchsicher abgedichtet ist, dann ist sie natürlich auch schabensicher abgedichtet. Das hatte sich die Baufirma zunächst mal gespart, und das wiederum fanden die Schaben hervorragend, weil Schaben viel lieber durch Rohre krabbeln als durchs Treppenhaus, wo man dauernd den Mietern » Grüß Gott« sagen muss. Schaben grüßen nicht gern. Aber dank der Versorgungsschächte wimmelten sie binnen Kürze durchs Café und rund ums Haus.
Um gründlich vorzugehen, haben wir die Schaben bekämpft, aber parallel dazu das komplette Haus untersucht. Und deshalb wiederum waren wir lange genug vor Ort, um die Meldung eines Mieters aus dem dritten Stock entgegenzunehmen, dass er jetzt auch Schaben hätte.
Ich dachte mir: » Na prima, jetzt haben wir die Viecher im ganzen Haus!« und habe dann diese Etage noch mal gründlich untersucht. Der Mieter hatte aber eine andere Schabensorte, die deutsche Schabe. Letztlich hatten wir aufgrund der vielen Schabenaspekte so lange im Haus zu tun, bis uns eines Tages die Pächterin des Cafés beim Plaudern erzählte, dass am Vortag die Kollegen von der Feuerwehr da gewesen waren. Sie hatten eine Wohnung geöffnet und darin eine lange liegende Leiche entdeckt.
Im Juni oder Juli hätte ich da nur genickt, aber es war schon recht später September, und zu dieser Jahreszeit sind die Wespennester ziemlich gut abgearbeitet. Dann klingelt mein Telefon
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