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Kein Job fuer schwache Nerven

Kein Job fuer schwache Nerven

Titel: Kein Job fuer schwache Nerven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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auf dem Boden. Und die Anordnung der Leichenbeschauerin war durchaus sinnvoll.
    Das kommt den Betroffenen nicht immer so vor. Wenn Menschen nicht zu Hause oder jedenfalls vom Hausarzt betreut sterben, kommt oft als Erstes der Notarzt, der irgendwann erkennt, dass er nichts mehr tun kann. Er stellt dann einen vorläufigen Totenschein aus, was ein wenig makaber klingt, weil mit einer Wiederauferstehung in Normalfällen nicht gerechnet werden kann, und was den Nachteil hat, dass man mit diesem Schein nicht einmal zum Bestattungsamt gehen und alles Notwendige einleiten kann. Einen endgültigen Totenschein gibt es in diesen Nicht-zu-Hause-Sterbefällen und überhaupt allen Sterbefällen, die ein bisschen vom Normalen abweichen, seit einigen Jahren nur noch vom Leichenbeschauer der Polizei. Meines Wissens weniger aus kriminaltechnischen Gründen, sondern weil es in München mal einige Unregelmäßigkeiten mit der Abrechnung gegeben haben soll. Und deswegen ernten die Polizei-Leichenbeschauer mit ihrem Zweitschein schon manchmal entgeisterte Blicke von genervten Angehörigen. In diesem Fall hatten allerdings alle Beteiligten die Notwendigkeit sofort eingesehen.
    Der Tote war ein Rentner, etwa 70 Jahre alt. Er war krebskrank gewesen, entweder Lungenkrebs oder eine andere Krebsart mit Metastasen in der Lunge, im fortgeschrittenen Stadium, unheilbar, was aber nicht bedeutete, dass er unbedingt zu diesem Zeitpunkt hätte sterben müssen. So lange noch genügend Teile der Lunge funktionsfähig sind, kann man auch in diesem Zustand durchaus noch einiges unternehmen, zum Beispiel einkaufen gehen. Was ihm zum Verhängnis geworden war, war ein Hustenanfall gewesen.
    Man vergisst oft, dass Husten keine harmlose Angelegenheit ist. Denn wenn man richtig los- und durchhustet, ist das ein ziemlicher Kraftaufwand und zwar kein gleichmäßig ansteigender, sondern ein jeweils geballt explosiver. Die Lunge macht zwar einiges mit, aber sie ist trotzdem ein empfindliches Organ. Schon einem gesunden Menschen kann es beim Husten passieren, dass ein Lungenbläschen platzt, und so was kann richtig gefährlich werden, denn im Brustkorb soll die Luft in der Lunge sein, nicht um die Lunge herum. Der Normalmensch denkt ja, dass er beim Einatmen seinen Brustkorb mit Luft aufbläst und diese beim Ausatmen wieder ausstößt, fertig, aber das stimmt nicht: Rund um die Lunge herrscht im Körper ein Unterdruck, der die Lunge rundum nach außen saugt, der sie sozusagen aufspannt, und erst dann kann man beim Atmen überhaupt Luft holen. Ist dieser Unterdruck nicht mehr vorhanden, fällt der Lungenflügel in sich zusammen, und niemand kann noch Luft in ihn hineinatmen. Dann braucht auch der gesündeste Mensch der Welt einen Notarzt, weil er ersticken könnte, ausgelöst durch einen simplen Hustenanfall.
    Aber der Rentner war kein gesunder Mensch gewesen. Sein Hustenanfall hatte ihn gleich am Eingang überrascht, zwischen einer langen Zeile aus vergitterten Wühlkörben mit Sonderangeboten und der Abteilung für Obst und Frischgemüse. Er war nicht weit gelaufen, er hatte beim Husten wohl innegehalten, und er wird wohl rasch an seiner Hand gesehen haben, dass er Blut hustete.
    Ich weiß nicht, ob man in der Situation das Husten einstellen kann und ob das überhaupt helfen würde, er ist jedenfalls stehen geblieben und hat weitergehustet, wahrscheinlich hat er es auch nicht für so bedrohlich gehalten, weil er aufgrund seiner Krankheit vielleicht öfter mal kleine Mengen Blut gehustet hat, aber der Husten hörte nicht auf, und die Mengen wurden nicht kleiner, im Gegenteil, es kamen auch noch große Teile des erkrankten, abgestorbenen Lungengewebes mit hoch, man konnte es gut auf dem Fußboden sehen. Neben dem Toten lag, von Verbandsmaterial und einem blutigen Hemd eingerahmt, eine dunkelrote Blutlache von der Größe eines mittleren Couchtischs, und in der Lache schwammen immer wieder faustgroße Inseln aus Lungengewebe. Dazwischen trieben einige Knöpfe seines Hemds, das ihm der Notarzt für die vergeblichen Wiederbelebungsversuche vom Körper gerissen hatte.
    Der Tote lag nackt unter einer Decke. Das lag wiederum an der Leichenschau der Polizeiärztin, das ist üblich. Die Kleidung hatte man zu einem kleinen Haufen neben den Sonderangeboten zusammengetragen. Die Ärztin hatte den Tod amtlich festgestellt, keine unnatürliche Ursache gefunden, aber festgelegt, dass der Supermarkt eine fachlich korrekte Reinigung brauchte. Der Mann hatte sich zwar nicht direkt

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