Kein Job fuer schwache Nerven
nicht mehr dauernd, dann werde ich fast schon unruhig. Also nahm ich ein Exemplar meines ersten Buchs, einen Prospekt meiner Firma und schickte beides an die zuständige Mitarbeiterin der Hausverwaltung, die ich ja schon von dem Schabenproblem her kannte. Und dann wartete ich ab.
Es dauerte etwa vier Wochen, bis sie die Wohnung entrümpelt hatten und feststellten, dass der penetrante Leichengeruch trotzdem nicht verschwunden war. Und dann rief die Mitarbeiterin bei uns an. Wir sahen uns kurz die Wohnung an, das heißt: Eigentlich sah ich mir die Wohnung an, weil sich die junge Dame wegen des Geruchs hartnäckig weigerte, hineinzugehen. Ich konnte sie gut verstehen.
Die verstorbene Mieterin, eine 82-jährige Rentnerin, hatte die ersten fünf bis sechs Wochen nach ihrem Tod in einer hochsommerlich aufgeheizten Wohnung gelegen. Die Wohnung, die ich vorfand, war ein bisschen altmodisch: Im Badezimmer waren diese pastellgelben Fliesen aus den 1960ern oder 1950ern. Die Wände waren fast durchgehend tapeziert, überall lag Teppichboden, und der Übergang von der Diele zum Flur war als eine Art Portal gestaltet. Insgesamt war die Wohnung ganz hübsch, angenehm hell und roch auch noch vier Wochen nach der Entrümpelung so, als wäre sie gerade erst vor fünf Minuten das erste Mal geöffnet worden und als klebten die Reste der alten Dame noch immer an der Küchentür.
Sie war in der Küche zusammengebrochen und dann nach ein oder zwei Tagen gestorben – der Unterschied ist schlicht immer der, ob sich die Exkremente noch in der Leiche befunden haben und daher praktisch mit der Leiche verwest und verfault sind, oder ob der oder die Sterbende sie in den letzten Tagen mehr oder weniger unbewusst von sich gegeben hat. Man möchte eigentlich kaum glauben, dass so was noch einen geruchlichen Unterschied macht, man sollte davon ausgehen, dass solche Unterscheidungen den Kohl auch nicht mehr fett machen, aber ich kann versichern: Es ist schon noch mal ein aromatisches Tüpfelchen auf dem i. Dies hier, das roch man deutlich, war ein Fall mit Tüpfelchen.
Unser Auftrag bestand nun darin, die Wohnung in einen Zustand zu bringen, in dem einem die Bauarbeiter bei den Renovierungsarbeiten nicht dauernd grün anliefen. Klaus, Hardy und ich machten uns ans Werk.
Die Hauptschwierigkeit, das war schnell klar, war natürlich der belastete Küchenboden. Wie fast alle aufgefundenen Toten war die alte Dame nicht in der Zimmermitte gestorben, sondern am Rand, in diesem Fall an der Schwelle zum Flur, was wiederum bedeutet, dass man nicht sicher sein konnte, dass die gesamte Leichenflüssigkeit im Estrich geblieben war. Man kann offenbar den Boden zwischen Zimmern nicht nahtlos machen, ich bin kein Trockenbauer, aber ich nehme an, dass man auch Dehnungsfugen braucht, damit durch die jahreszeitlichen oder heizungsbedingten Temperaturunterschiede keine Risse im Boden entstehen. Außerdem ist keine Wohnung dafür gebaut, dass die Bewohner darin besonders spurlos und leicht entfernbar sterben können. Was man schon jetzt sehen konnte, war, dass sich die Leichenflüssigkeit von den Möbeln der Küchenzeile nicht im Geringsten hatte ausbremsen lassen. Als die Dame gestorben war, musste die Küche ja eingerichtet gewesen sein, aber die Flecken hatten sich problemlos dorthin ausgebreitet, wo einmal eine Spüle oder eine Arbeitsfläche oder ein Kühlschrank gewesen war, bis genau in die Ecke der Küche, und dort hatte der ausgetrocknete Putz dann die Flüssigkeit bis in Schienbeinhöhe hinaufgesaugt. Die Wand sah feucht aus, feucht und etwas fettig. Ein weiterer großer Teil der Flüssigkeit steckte in der Küchentür, gegen die die Dame gesunken war. Aber Leichengeruch in Küchentüren ist als Problem natürlich simpel zu lösen: Man hängt die Tür aus und wirft sie weg.
Mit der Tür entfernten wir den genauso vollgesogenen Türstock und die hölzerne Schwelle. Als Nächstes lösten wir die quadratischen Linoleumfliesen vom Boden der Küche ab. Darunter lag der Estrich. Es war nicht ganz einfach, die Flecken der Leichenflüssigkeit zu sehen, weil der Estrich ganz schwarz war, entweder durch eine Teerschicht, oder aber das kam von der Klebemasse, mit der man die Linoleumfliesen festgeklebt hatte. Aber schon eine kleine Bohrung ergab, dass der Estrich feucht war. Wir schlugen ihn mit dem Elektrobohrhammer heraus, so lange, bis die Estrichteilchen keine Feuchtigkeit mehr aufwiesen. Das konnte man an den Rändern, in Richtung Zimmermitte beobachten, aber
Weitere Kostenlose Bücher