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Kein Job fuer schwache Nerven

Kein Job fuer schwache Nerven

Titel: Kein Job fuer schwache Nerven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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es zunächst aus lauter Angst um die Stabilität der Decke vollkommen übersehen, aber : E s fehlte was.
    Es gab keine Fliegen.
    Es gab auch keine Maden. Es gab auch keine Speckkäfer. Und natürlich hätten unsere Vorarbeiter beim Wohnungsausmisten auch die Maden mit entfernen können, aber nicht unter dem Linoleum, nicht in den kleinen Ecken und Ritzen. Es hätte eigentlich irgendwelche Insektenspuren geben müssen, nach mehreren Wochen im Hochsommer, nach weiteren Wochen, in denen der Gestank die Tiere hätte anlocken können. Aber nichts: Ich habe in meiner ganzen Laufbahn noch keine maden- und fliegenfreiere Leichenwohnung gesehen. Mir bleibt als Erklärung nur, dass die Wohnung wohl richtig gut schließende Fenster hatte, rundum ordentlich abgedichtet – doppelt erstaunlich, weil sie das Haus doch erst noch hatten sanieren wollen.
    Eigentlich auch mal ganz angenehm. Könnte ich öfter haben.

28 . Klare Schnitte
    Am Telefon war eine Frauenstimme, nicht mehr jung, noch nicht alt, und ich bekam sofort eine Gänsehaut. Ich sage das deshalb, weil ich eigentlich an diese Anrufe gewöhnt bin. So viele unterschiedliche Anrufe gibt’s ja nicht bei mir: Es sind die Wespennest-Anrufe, die sind ein bisschen panisch, aber im Grunde nicht anders als bei einem Wasserrohrbruch. » Hilfe, Hilfe, bei uns steht alles unter Wasser!« – » Hilfe, Hilfe, wir haben Wespen vorm Fenster!« Aber eben nur ein bisschen panisch, und mit einer Souveränität, mit der man auch beim Klempner anruft und eine Dienstleistung bestellt. Dann gibt es die Anrufe wegen irgendwelcher Messie-Wohnungen, da hängt die Stimmlage davon ab, ob der Messie selbst anruft oder die Wohnungsverwaltung. Und dann gibt es eben die Leichenfundort-Anrufe.
    Die sind zögerlicher. Da ist die Einleitung ein wenig umständlicher: » Sind Sie der Herr Anders?« Oder: » Sind Sie die Firma mit den –«, und dann merkt man schon, wie der Anrufer versucht, den Tod irgendwie normal in Worte zu fassen, und man hört, dass er jetzt feststellt, dass er dafür kein Standardrezept hat, keinen Routinetelefonatsablauf. Aber bei dieser Dame, da hörte man sofort, dass es nicht nur der Anruf war, der sie überforderte. Weswegen auch immer sie anrief, sie steckte noch mitten drin, und sie hatte nichts davon auch nur ansatzweise verarbeitet, weil es noch keine 24 Stunden zurückliegen konnte. Wenn überhaupt.
    Ihre Stimme sollte gefasst klingen, aber sie war zittrig, sie war ängstlich, und sie sagte: » Ich … also, in der Wohnung meiner Tochter ist ein Mord passiert. Und ich wollte fragen, ob Sie so etwas reinigen …«
    Man musste kein Hellseher sein, um zu ahnen: Das Opfer des Mordes war die Tochter.
    Ich erfuhr, dass die Tochter erstochen worden war, und dass es offenbar größere Blutmengen gab. Die Wohnung war relativ groß. Und wir konnten schon knapp zwei Wochen nach der Tat anrücken, woraus man schließen konnte, dass die Ermittlungen nicht allzu schwierig gewesen waren. Über die Tat selbst wusste ich bis dahin nicht viel. In den Zeitungen hatte nichts Größeres gestanden. Der Täter war wohl nicht rechtsanwaltsartig genug gewesen.
    Ich kannte niemanden in dem Ort. Es war auch purer Zufall gewesen, dass die Mutter auf uns aufmerksam geworden war – es gab dort noch kein KIT , das ihr hätte helfen können. Tatsächlich war das einer von genau jenen Fällen, in denen die Angehörigen selbst hätten wischen müssen, wenn die Mutter nicht auf die Idee gekommen wäre, nach einem Spezialisten zu suchen. » Deine Tochter ist tot, und alles, woran du denkst, ist, wie man da am besten putzt«, hatte ihr Mann dazu noch bemerkt – was nicht ganz so herzlos ist, wie es klingt: Jeder wird mit dem Tod seines Kindes anders fertig. Der Vater etwa hatte seine Flinte genommen und war auf die Jagd gegangen. Es ist gut möglich, dass er sich genausolche Vorwürfe machte wie seine Frau.
    Einen richtigen Grund dazu gab es nicht. Der Täter war der Ex-Freund der 35-jährigen Tochter gewesen. Ein 46-jähriger Frührentner, der den Eltern nie richtig gepasst hatte, aber deswegen glaubt man doch noch lange nicht, dass der dann die Tochter ersticht. Die Beziehung war erst vor Kurzem in die Brüche gegangen, mit ihrem neuen Freund hatte sie sich am Vorabend auf einem Volksfest getroffen und ihn ihrer Mutter vorgestellt. Dabei hatte sie auch eine SMS von ihrem Ex vorgezeigt, der ihr drohte, sie umzubringen. Niemand von den dreien nahm das richtig ernst, niemand konnte sich das vorstellen. Sie

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