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Kein Job fuer schwache Nerven

Kein Job fuer schwache Nerven

Titel: Kein Job fuer schwache Nerven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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drunter, als die Betondecke zum Vorschein kam, war deutlich zu erkennen, dass hier noch immer großflächig Leichenflüssigkeit auftauchte – wie ein großer Halbkreis im Fußboden. Wir behandelten den Fleck mit Chlorbleichlauge und prüften die Wände. Wir schlugen unten den stinkenden Putz ab, bis zu den Ziegelsteinen. Es gab, das sah man sofort, zwei Sorten Ziegelstein: feuchte und trockene. Praktischerweise waren diese Innenwände nicht entscheidend für den Rest des Hauses, also schlugen wir die belasteten Ziegel unten einfach aus der Wand. Dann widmeten wir uns dem Rest der Wohnung. Wir entfernten den stinkenden Teppichboden in allen Zimmern. Und wir zogen die Tapeten von den Wänden.
    Es war unsere erste Wohnung, die noch tapeziert war. Und eigentlich sollte Papier unserer Erfahrung nach ja gegen Düfte ziemlich resistent sein. Aber vielleicht hatte der Leim den Geruch angenommen, und Leim war genug verwendet worden, weil unter den Tapeten eine Menge Schichten alter Tapeten klebten. Also zogen wir überall die Tapeten ab. Das ging immerhin recht einfach, Gott sei Dank. Wir waren sowieso schon ziemlich kaputt, weil es im Haus keinen Lift gab und wir viel zu Fuß aus dem vierten Stock hinuntertragen mussten. Wir wären noch kaputter gewesen, wenn uns nicht die Bauarbeiter freundlicherweise erlaubt hätten, ihre Seilwinde an der Außenfassade gelegentlich mitzubenutzen. Und dann machten wir Feierabend und hofften auf die Laugenwirkung.
    Zwei Tage später kam ich mit Hardy zurück, und es roch so grauenvoll wie eh und je. Das Zeug saß einfach zu tief im Betonfußboden. Also holten wir unseren Elektrobohrhammer. Ich hatte ihn kaum angesetzt, als der 20 Zentimeter lange Bohrmeißel unter mir im Nichts versank. Ich sah Hardy entsetzt an. Hardy sah mich an, dann sprang er auf und rannte aus der Tür nach unten. Wir beide dachten dasselbe: »Jetzt sind wir unten beim Nachbarn! « Es stellte sich heraus: Wir waren nicht beim Nachbarn, sondern wir steckten in einer Hohlraumdecke.
    Hohlraumdecken sind Fertigbauteile. Eine Art Spantenbauweise, wie man sie von Flugzeugtragflächen kennt: Man macht den Boden nicht durch und durch aus Beton, sondern man setzt nur so etwas wie ein Gerippe ein, das abwechselnd aus Betonstreben und Lücken besteht. In diesen Lücken befinden sich Stahlstreben, die zusätzliche Stabilität verleihen, aber sonst nur Luft. Ich weiß nicht, ob das Gewicht sparen soll oder Geld – es ist aber eine ganz normale, seriöse, anerkannte Bauweise und kein Hinweis auf Geiz. Oben und unten ist die Konstruktion natürlich abgedeckt, aber wenn man mit einem Bohrmeißel durchstößt, landet man entweder in einer der Betonstreben oder eben in einer Luftlücke, so wie ich.
    Nachdem wir festgestellt hatten, dass wir dem Nachbarn noch nicht die Decke aufgebohrt hatten, entfernten wir nach allen Seiten weitere Teile des Bodens. Es war eine elende Schinderei, weil ich mich aus Angst um die Decke nicht munter mit meinem Gewicht hinter den Meißel zu klemmen wagte. Ich musste praktisch beim Bohren immer den schweren Hammer parallel auch bremsen, immer auf der Hut sein, dass er mir nicht zu tief rutschte. Und bei jedem Ausrutscher wieselte Hardy zum Nachbarn runter, um ihn zu beruhigen und mich dann gleich mit. Aber dennoch, dieses Vorgehen löste das Problem nicht: Die Leichenflüssigkeit war auch in die Betonstreben unter der Decke gesickert, und hier wurde es uns endgültig mulmig.
    Wir entfernen ja notfalls gerne einen Ziegelstein aus einer Zwischenwand oder ein paar Zentimeter vom Estrich, aber so tief waren wir bisher noch nie gegangen. Wenn wir weitermachen sollten, wollte ich das Ganze lieber vorher von einem Fachmann begutachten lassen, einem Baustatiker, bevor uns am Ende die gesamte Wohnung auf die Köpfe fiel.
    Wir haben uns dann die weitere Vorgehensweise schriftlich bestätigen lassen. Wir dürften noch ein wenig weiterbohren, sagte der Statiker, auch, weil wir ja so nahe an der Wand waren – und damit auch nahe an der Wand drunter, auf der die Decke auflag. Schon erstaunlich, was so ein Betonbauteil alles mitmacht. Wir haben also behutsam die vollgesogenen Betonstreben noch etwas ausgeschabt, bis wir alles entfernt hatten. Aber so tief sind wir tatsächlich noch in keiner Wandkonstruktion gewesen. Insofern war der Fall auch für uns interessant, aber seltsam war er aus einem anderen Grund, der mir merkwürdigerweise erst später aufgefallen ist, als ich mir noch mal die Fotos angesehen habe. Ich hatte

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