Kein Kanadier ist auch keine Lösung
dreimal so hoch lag wie in der Stadt. Sandra bezweifelte je heil ans Ziel zu kommen. Die Sicht war gleich Null und das Starren in einen Kegel aus rasenden Schneeflocken brachte ihre Augen zum Tränen.
„ Connie, woher weißt du, wo die Straße ist? Ich kann absolut nichts sehen.“
Connie fuhr mit zusammengebissenen Zähnen, dicken Handschuhen, Strickmütze und einer Wolldecke über den Beinen. Auch Sandra hatte sich in eine Decke gemummelt. Die Heizung des Wagens war nicht mehr die beste.
„ Solange sich das Auto vorwärts bewegt, bin ich noch auf der Straße“, sagte Connie und weiße Wölkchen umrahmten jedes ihrer Worte.
„ Wie beruhigend.“
Sandra rieb sich die kalten Hände. Ihre Jacke hielt sie warm und die Decke über ihren Beinen half etwas, doch noch immer blies die Heizung nur einen Hauch wärmer als die Außentemperatur.
„ Was glaubst du, wie kalt es ist?“
„ Um die minus zehn Grad C°. Nicht so schlimm.“
„ Nicht so schlimm?“ Sandra war entsetzt. Sollten sie im Graben landen, wäre minus zehn kalt genug, um gefährlich zu werden.
„ Wo ich herkomme, wird es bis minus sechzig“, meinte Connie leichthin.
„ Minus sechzig? Du veräppelst mich.“
Sie schüttelte ihr bemütztes Haupt.
„ Nein, im Ernst. In Calgary erreichen die Temperaturen diese Marke leicht.“
„ Ich glaube nicht, dass ich dort leben könnte.“
„ Man gewöhnt sich daran. Aber ich mag es auch etwas milder, deshalb bin ich nach Vancouver gezogen. In der Stadt wird es nicht so kalt. Anders ist es natürlich hier in den Bergen. Wenn wir angekommen sind, ist es dort wahrscheinlich um die minus dreißig.“
Sandra öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Daran hatte sie nicht gedacht, obwohl sie mit diesen Temperaturen bereits Bekanntschaft gemacht hatte, als sie mit John unterwegs gewesen war. Nun war sie wieder hier, und das im Kostüm mit Perlonstrumpfhose und leichten Lederhalbschuhen. Aber schließlich hatte sie nicht mit einer Bergtour gerechnet. Dennoch hätte sie es besser wissen müssen, wenn sie sich die Mühe gemacht hätte nachzudenken. Das erste Mal hatte sie auch nicht mit einer Bergtour gerechnet. In diesem Land musste man auf alles vorbereitet sein.
„ Ich hoffe nur, uns springt kein Hirsch vor den Kühler.“
„ Gott sei Dank schlafen die Bären“, sagte Sandra.
Connie grinste sie an. „Ach ja, du hast ja keine guten Erfahrungen gemacht mit den Teddys.“
Sie hatte von ihrem Abenteuer erzählt, damals, als sie im Büro gearbeitet hatte, und damit zur Heiterkeit unter den Kollegen beigetragen.
Das Schneetreiben ließ etwas nach. In den Bergen musste man hinter jeder Kurve mit einem anderen Wetter rechnen. Jetzt konnte man die breite Piste erkennen und Spuren von anderen Autos, die sich bereits vor ihnen zum Reservat durchgekämpft hatten, mit einer dünnen Schicht Neuschnee überzogen. Sandra entspannte sich. Wenigstens konnte man etwas sehen.
„ Als ich John das letzte Mal am Telefon hatte, gefiel er mir gar nicht“, sagte Connie.
„ Wie meinst du das?“
„ Ich sagte ihm er solle endlich zum Telefon greifen und dich anrufen, oder ich würde ihn mit einer Waffe dazu zwingen.“
Sie grinste Sandra an, die lachen musste. „Und was sagte er dazu?“
„ Er meinte, dann solle ich ihn doch lieber gleich erschießen, das erspare ihm die Demütigung.“
Sandra gab einen erschreckten Laut von sich. „Oh, was bin ich doch für ein Monster! Er fühlt sich gedemütigt, der Arme. Da siehst du mal, wie groß meine Schuld an all dem ist.“
„ Ach was. Er hat einen Hang zum Theatralischen, der Gute, das ist alles. Normalerweise sind es die Frauen, die sich von ihm gedemütigt fühlen. Ich finde das geschieht ihm recht. Ich war nur besorgt, weil er sich noch nie so niedergeschlagen ...“
Der Wagen ächzte und schnaufte, bog sich nach links und rechts, und Connie konzentrierte sich ganz aufs Fahren. Wahrscheinlich taugten die Stoßdämpfer noch weniger als die erbärmliche Heizung. Es holperte heftiger und Sandra stieß sich den Arm an der Tür. Connie rang mit dem Wagen um die Herrschaft und plötzlich gab es einen abrupten Ruck nach vorn.
„ Verdammt“, sagte Connie. „Wir sitzen fest.“
Sie tauschten einen beratenden Blick aus. „Ich gehe schon“, sagte Sandra als Erste. „Hast du einen Spaten im Wagen?“
Sie hoffte, Connie war genauso gut auf Notfälle vorbereitet wie John, und wurde nicht enttäuscht. Connie nickte und zeigte mit dem Daumen nach hinten.
„ Der
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