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Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Titel: Kein Kanadier ist auch keine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fraser
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rieb sie sich die Hände bei der Vorstellung, dass sie dies gleich herausfinden würde.
    Aber es gab noch einen weiteren Grund für Nervosität. Die Geschäftsleitung selbst hatte beschlossen an einem Meeting teilzunehmen. Nachdem der Informationsfluss der Hauptbeteiligten so plötzlich versiegt war, konnte sie ihnen das nicht übel nehmen. Der Boss des deutschen Unternehmens, Karl Seifert, und sein Assistent, Manfred Ziegler, hatten sich einen anderen Flug gebucht und würden erst am Donnerstag eintreffen. Heute war Dienstag und Sandra blieb etwas Zeit, um sich zu akklimatisieren.
    Diesmal hatte sie es geschafft, ihre Sachen in einen Handgepäckkoffer zu quetschen. Sie würde ihren Koffer nie wieder aus den Augen lassen. Zwar blieb ihr so nicht viel Garderobe, doch wen kümmerte es schon, wenn sie dasselbe Hosenkostüm trug, mit wechselnden Oberteilen. Eine Jeans war noch hineingegangen, und ein dicker Pulli. Damit würde sie auskommen müssen oder sich etwas Neues kaufen und die alten Sachen einfach dort lassen. Schon lange kümmerten sie solche Kleinigkeiten nicht mehr. Ihre Gedanken waren von wichtigeren Dingen geprägt. Wann waren all die anderen Aspekte ihres Lebens so unwichtig geworden?
    Sie klemmte sich die dicke schwarze Daunenjacke unter den Arm, die John ihr gekauft hatte, und marschierte durch das Hotel zu ihrem Zimmer. In dieser Jacke würde sie dem kanadischen Winter trotzen. Sie war warm genug gewesen bei minus zwanzig Grad in den Wäldern von British Columbia.
    Kaum zu glauben, dass sie schon wieder hier war, im Land der Grizzlybären, Erdnussbutter und Zimtschnecken. Noch dazu lief die Weihnachtssaison auf Hochtouren. Das Hotel strahlte in Walt Disney gleichem Lichterglanz, brach zusammen unter langen bunten Lichterketten, geschmückten Weihnachtsbäumen und herumstehenden Weihnachtsmännern aus Plastik oder, ganz edel, kunstvoll bemaltem Porzellan. Weihnachten nahmen sie ernst, die Kanadier. In jedem Raum, inklusive den Waschräumen in der Halle und des Fahrstuhls, ertönte besinnliche Musik. Vorsichtig mit dem Koffer einen Rentierschlitten im Flur umgehend, betrat sie leise „Jingle Bells“ mitsingend ihr Zimmer.
     
    Die Straßen waren von einer dünnen Schneeschicht bedeckt und die anthrazitfarbenen Wolken am Himmel verhießen mehr von dem weißen Nass. Sandra ging ein paar Blocks zu Fuß, vorbei an niedlichen Geschäften, aus denen die verschiedensten Weihnachtsklänge wehten. Die kalte klare Luft schien zu knistern und wurde ab und zu von einem Auspuff mit schlechten Abgaswerten getrübt. Draußen bei John würde nichts den frischen Geruch nach Schnee und Bäumen beeinträchtigen. Ob der See zugefroren war? Wahrscheinlich noch nicht. Sie spürte das drängende Verlangen, sich ein Taxi zu nehmen und einfach zu ihm hinauszufahren. Aber sicher war er nicht da, saß im Büro und wartete auf ihre wütende Erscheinung. Dabei war sie alles andere als wütend. Melancholie hatte ihren Ärger ersetzt, Traurigkeit über das Verlorene, Enttäuschung über die Tatsache, dass sie in einer Traumwelt gelebt hatte. Die anheimelnde Weihnachtsstimmung, von der sie umzingelt war, verstärkte diesen Zustand.
    Schließlich nahm sie doch ein Taxi. Als der Fahrer sich höflich nach dem Ziel erkundigte, zögerte sie einen Augenblick und gab dann die Adresse des Büros an.
     
    Als sie Connies Büro betrat, in der Absicht, sich nicht anmerken zu lassen, dass diese Frau ihr Leben völlig verändert hatte, wurde sie so herzlich begrüßt, dass ihr beinahe die Tränen kamen. Connie umarmte und drückte sie fest. Sie trug ein rotes Kleid mit weißem Plüschkragen, in dem sie aussah wie Mrs. Santa Claus.
    „ Wie schön, dich zu sehen!“ Es klang so ehrlich. Connie war sich offenbar keiner Schuld bewusst. „Ich brauche deine Hilfe! Ich fand dein Email in Johns Computer, denn ich lese all seine Korrespondenz, besonders wenn er durch Abwesenheit glänzt, und ich war so froh, dass du kommst!“
    Die Dringlichkeit in Connies Stimme alarmierte Sandra. Sie ließ sich auf einen Besucherstuhl fallen und Connie nahm neben ihr Platz. Sie explodierte fast von der Geschwindigkeit, mit der sie ihre Informationen und Fragen los wurde.
    „ Willst du einen Kaffee? Sicher doch, bei dem Sauwetter. John ist schon seit Wochen nur unregelmäßig im Büro. Milch und Zucker? Ich bin sogar einmal zu ihm rausgefahren, aber er war entweder nicht da oder hat nicht aufgemacht. Hier, nimm einen frischen Donut. Er wird seinen Job verlieren, wenn er

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