Kein Kerl zum Verlieben
denn? Ich dachte schon, du hast mich vergessen“, begrüßte Susi sie.
„Aber nein, meine allerliebste beste Freundin. Aber immer, wenn ich erschöpft von der Arbeit nach Hause komme, ist bei dir erst Mittag. Dann esse ich, dusche und falle k.o. ins Bett. Wenn bei dir Abend ist, schlafe ich schon lange. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel ich lernen muss, hier geht alles auf Englisch und wenn nicht, dann auf Thai. Aber der Chef ist sehr nett und verständnisvoll, der Fels in der Brandung. Er wird nie laut und bleibt immer freundlich. Freundlich ist mein Assistent auch, aber auch viel zu aufdringlich. Ein Thaimann, der denkt, er ist der größte Frauenheld. Er baggert mich ständig an. Der steht wohl auf Blondinen, da haben sie hier Mangelware. Es ist lästig, ihn auf Abstand zu halten, aber ich komme schon klar. Und du kannst dir nicht vorstellen, wie heiß es hier ist, dauernd sind über 25 Grad, oft auch mehr und in der Nacht muss ich die Klimaanlage laufen lassen. Aber schön ist es hier, ach könnte ich dir nur alles zeigen. Oh, ich texte dich voll, sorry. Wie geht’s dir denn?“
„Alles klar, Süße, nur vermisse ich dich. Du hast also einen Assistenten, einen netten Chef und einen Verehrer?“ Sie lachte.
Ricky lachte auch. „Und einen verrückten Nachbarn. Der hört wie Thomas laut Hardrock und ignoriert mich ansonsten, obwohl er Deutscher ist.“
Nachdem Thomas‘ Name gefallen war, entstand eine Pause. Doch dann plauderten sie über alle Neuigkeiten, die sich angesammelt hatten. Susi klärte Ricky über den neuesten Klatsch auf und die Zeit verging. Bis Ricarda einfiel, dass sie unbedingt noch Wäsche waschen musste, sonst hatte sie für den nächsten Tag nichts anzuziehen, was auf der Arbeit nicht so gut ankäme. Außer bei Sith ...
Sie versprach, sich jetzt öfter zu melden und fuhr nach unten, wo in einer kleinen Kammer eine normale und eine Jumbowaschmaschine standen. Daneben befand sich ein Trockner. Für umgerechnet 50 Cent bis einen Euro konnte man hier seine Wäsche waschen und trocknen, nur Waschmittel musste mitgebracht werden. Eine praktische und preiswerte Sache, die Ricarda sehr gut gefiel.
5
Montag war Ricarda nicht mehr ganz so schlimm die Neue und das Gerede über sie verebbte. Der Bürotratsch wandte sich anderen Themen zu. Sie schrieb ihre ersten Geschäftsbriefe und wohnte dem Treffen mit einem Kunden im Büro des Chefs bei. Der neue Kunde war der Geschäftsführer einer kleinen Firma, die ihre Angestellten krankenversichern wollte. Herr Wattanaprusek wollte, dass sie einem Kennenlerngespräch beiwohnte, um zu erleben, wie so etwas ablief. In ferner Zukunft sollte sie solche Treffen allein abwickeln, hatte er ihr als langfristige Planung nahegelegt.
Sith hatte heute seinen Fragetag und fragte Ricarda alles mögliche über ihr Leben in Deutschland aus. Er wollte wissen, wo sie aufgewachsen war, wie sie die Schule abgeschlossen hatte, wann sie den ersten Freund hatte. Als sie sich bedeckt hielt, fragte er, was sie schon alles in Bangkok gesehen hatte.
„Sind Sie mit dem Skytrain schon einmal weiter gefahren, als bis hierher? Man kann von unterwegs schön die Stadt anschauen, kann den Chao Phraya sehen, das Victory-Monument, ein Denkmal, das nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurde. Waren Sie schon in Central World, einem Shoppingpalast oder in Chinatown?“
„Nein, Sith, ich bin doch noch nicht einmal eine Woche hier in Bangkok“, gab Ricky leicht genervt zurück.
„Ich kann Sie gerne mitnehmen und Ihnen alles zeigen, es wird mir eine Freude sein.“ Sein Blick klebte an ihr wie ein Kaugummi unter einer Tischplatte.
„Sie können mir einen Kaffee bringen ... bitte.“
Einen Tag später durfte Ricarda früher Feierabend machen und nutzte die Zeit, um zur Central World nahe Siam zu fahren. Sie hatte von einer Kollegin von Big C gehört, einem Supermarkt der Superlative und war neugierig, wie groß er wirklich war. Schon der Riesenbildschirm an der Fassade von Central World, auf dem turmhoch Werbung lief, beeindruckte sie. Aus Berlin kannte sie Kaufland, einen Supermarkt, der sich auf zwei Etagen erstreckte und auch sehr groß war. Big C befand sich ebenfalls auf zwei Etagen, doch hiergegen wirkte Kaufland klein. Ricarda hatte Mühe, nach anderthalb Stunden endlich wieder draußen zu sein und ‚nur‘ Latschen, T-Shirt, Sonnencreme, diverse Knabbereien, einen Satz Schüsseln, Obst, Kaffee, Wurst und Schinken eingekauft zu haben.
Abends berichtete sie
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