Kein Kerl zum Verlieben
streifte lange durch die Etagen des Terminal 21, probierte hier eine Hose, da einen Rock und konnte sich nicht entscheiden, was sie kaufen sollte. Es gab Kleidung für jeden Zweck, für jeden Anlass, als Noname oder von bekannten Marken und zu Preisen von spottbillig bis sauteuer. Zur Urteilsfindung, wie sie es bei sich nannte, entschloss sie sich, oben im Center in der Foodlounge zu speisen, dann würde ihr Unterbewusstsein schon eine Entscheidung fällen. Die Preise fand sie noch immer faszinierend in Bangkok. Für ein komplettes Essen mit Drink zahlte sie zwei Euro fünfzig, da konnte sie sich auch eine helle Bundfaltenhose von Lacoste leisten, die in Deutschland einen dreistelligen Betrag gekostet hätte. Wenn sie einmal dabei war, gönnte Ricky sich dazu eine schwarzgraue Bolero Schulterjacke von Louis Vuitton. Zufrieden schaffte sie ihre neuen Schätze nach Hause und zog sie an.
Zum Treffpunkt ging sie etwas früher, ihr Chef hatte 19 Uhr als Zeitpunkt genannt, da er seine kleine Tochter mitbringen wollte. Sie positionierte sich oben am Ausgang des Skytrainbahnhofs, wo sich der Übergang zum Terminal 21 befand und ließ das Flair auf sich wirken. Obwohl es Sonntag und die Dämmerung nahezu der Nacht gewichen war, herrschte auf dem Skyway, einem Fußweg in halber Höhe zwischen Straße und Skytrain, reges Gedränge. In Bangkok herrschte jeden Abend Gedränge. Bis um zehn, bis die Kaufhäuser schlossen, blieb das auch so. Heute gab es besonders viele Familien mit Kindern und viele trugen Taschen oder verpackte Gegenstände mit sich. Ricarda konnte sich nicht sattsehen an den Menschen und den Kindern. Sie fand sie alle schön und ästhetisch und die Kinder niedlich.
Auf der Hauptstraße wälzte sich der Verkehr voran oder staute sich vor der roten Ampel, an der große rote Leuchtziffern von 186 abwärts zählten, bis bei Null wieder Grün wurde und die Blechlawine losrollte.
‚Oh mein Gott‘, dachte sie, ‚ich möchte nicht über drei Minuten warten müssen, bis es weitergeht.‘ Sie schaute zu den Wolkenkratzern auf der anderen Straßenseite, die in den nächtlichen Himmel aufragten. Ein Apartmenthaus mit tiefen und breiten Balkonen reckte sich in den Himmel. Die Wohnungen sahen groß und teuer aus. Daneben ragte ein Geschäftshaus empor. An der Fassade befand sich ein Bildschirm, über den Werbespots liefen, er erstreckte sich über zehn oder zwölf Etagen. Am Nebengebäude hing ein Werbeplakat, das noch viel größer war und das halbe Gebäude verhüllte. Hier in Bangkok war alles gigantisch.
Es war jetzt so voll, dass sich an den Automaten und an den schmalen Durchgängen, die man passieren musste, um zum Bahnsteig zu kommen, Schlangen gebildet hatten. Trotzdem gab es keine Hektik, kein Anrempeln, niemand regte sich auf, warten zu müssen. Plötzlich sah Ricarda ihren Chef. An seiner Seite lief eine attraktive Thaifrau mit langem Haar. Sie trug eine helle Bluse und einen weit fallenden gemusterten Hosenrock. An der Hand hielt sie ein etwa zehnjähriges Mädchen in einem geblümten Kleid. Das Mädchen besaß kurzes Haar, es schaute Ricarda neugierig entgegen und sagte etwas zur Mutter, die es zum Vater weitergab. Er nickte und lächelte Ricarda an.
Herr Wattanaprusek stellte seine Frau Kittima vor und anschließend seine Tochter Saranchaja. Die Frau grüßte erst per Thaigruß und gab Ricarda dann die Hand. Die Kleine legte die gefalteten Hände an die Stirn und verneigte sich tief, was Ricarda erneut im Herzen berührte. Das Mädchen fragte die Mutter etwas, und als diese lächelnd nickte, ließ es ihre Hand los und ergriff wie selbstverständlich Rickys Hand. Dabei lächelte sie Ricarda an und ihre dunklen Augen leuchteten. Frau Wattanaprusek hakte sich bei ihrem Mann ein und er sagte: „Dann übernehmen wir die Führung. Passen Sie gut auf Dao auf.“
Ricky sah ihn fragend an.
„Dao ist der Nickname unserer Tochter.“
Ricarda folgte ihrem Chef und seiner Frau und passte auf, Daos Hand nicht zu loszulassen. Es rührte sie, wie zutraulich die süße Kleine war. Sie wollte etwas Nettes sagen, doch sie beherrschte zu wenig Thai. Also sagte sie den einzigen Satz, den sie bisher kannte: „Sabei di mai?“
Sie musste ihn noch zweimal wiederholen, ehe Dao begriff, dass sie ‚ Wie geht es dir?‘ meinte. Sie lachte auf und freute sich, in ihrer Sprache angesprochen worden zu sein. „Sabei di khaa!“
Ricky strich ihr übers Haar, spürte die kleine Hand in ihrer und fühlte sich großartig. Sie
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