Kein Kerl zum Verlieben
ihrer Heulorgie am vergangenen Abend vergessen hatte, den Wecker zu stellen. Sie war noch immer wütend und verletzt und es war ihr egal, dass sie verspätet zur Arbeit erschien. Davon würde die Welt nicht untergehen.
Die Sekretärin des Chefs erwartete sie bereits und schaute demonstrativ auf die Uhr, als sie sie sah. Dann blickte sie forschend in Ricardas Gesicht. Es sah mit Sicherheit nicht gut aus nach der Heulerei und die Sekretärin fragte sich bestimmt, was passiert sei.
„Sorry“, begann sie. „Entschuldigung, dass ich schon auf Sie warte und meine Arbeit liegenlasse, ich wusste ja nicht, dass Sie heute später auf der Arbeitsstelle erscheinen. Aber die Papiere über Ihre Anstellung hier, die Lohnabrechnung und Überweisungsformalitäten benötigen einige Unterschriften von Ihnen.“
„Ricarda stöhnte innerlich auf, das musste natürlich ganz sicher gleich am frühen Morgen zu Arbeitsbeginn erledigt werden und konnte keine zehn Minuten warten? Sie zwang sich aber zur Ruhe. „Guten Morgen!“, sagte sie, legte ihre Tasche ab und zog die Schreibtischschublade auf. Sie holte die Stifteablage heraus, die sie übers Wochenende in der Schublade versenkte und stellte sie auf die Arbeitsplatte. Dann wollte sie sich einen Stift greifen, um die Papiere zu unterschreiben, doch ein scharfes, zischendes Einatmen der Frau ließ sie aufschauen.
„Das ... Das kann doch nicht wahr sein ...“, stammelte die Sekretärin und starrte einen Kugelschreiber inmitten der Stifte an.
„Was ist denn?“, fragte Ricarda leicht genervt.
„Wie kommen Sie zu diesem Schreiber?“ Sie nahm den Kuli mit Metallkappe in die Hand und drehte ihn. „Das ist mein Schreibstift, ich vermisse ihn seit Tagen. Er war auf einmal verschwunden, seltsam, nicht? Er ist mir sehr wichtig, er war ein Geschenk, wissen Sie? Sehen Sie hier“, sie zeigte Ricarda die Metallhülse, Schrift war darauf zu erkennen. „Er besitzt eine Gravur, for Gan steht da. Gan bin ich! Das ist mein Schreiber! Wie kommen Sie an ihn? Wieso lag er in Ihrem Schreibtischfach?“
„Ich habe keine Ahnung“, stammelte Ricarda erst auf Deutsch und wiederholte den Satz auf Englisch. Sie hatte den Stift noch nie gesehen und wusste nicht, wie er in ihre Schreibtischschublade kam. „Ich habe ihn nicht hier herein gelegt.“
Ein giftigböser Blick war die Antwort. Der Kuli verschwand in der Tasche der Sekretärin, die mit kalter Stimme die Unterschriften einforderte. Ricarda nahm einen anderen Stift zur Hand und unterschrieb. Sie überlegte, was sie sagen konnte und wie sie ihre Unschuld beweisen sollte. Hocherhobenen Hauptes, ohne einen weiteren Blick für Ricarda zu haben, verließ die Sekretärin das Büro.
‚Oh, geht die Woche etwa so schlimm weiter, wie die letzte gewesen war?‘, stöhnte Ricarda innerlich.
Eine Stunde Später erschien die Sekretärin wieder und ‚bat‘ sie mit eisiger Stimme und zur Faust geballtem Gesicht, zum Niederlassungsleiter zu kommen.
Herr Brenner begrüßte sie und kam sofort zum Punkt. „Frau Schubert, wir beginnen unsere Arbeit um acht Uhr. Natürlich kann man in Ausnahmefällen später erscheinen, nur sollte das nicht die Regel werden. Zwei Dinge, die schwerwiegender sind, wurden mir zugetragen und ich muss mit Ihnen darüber sprechen. Aus der Geburtstagskasse, die nur einmal unbeaufsichtig gewesen war, als sie auf ihrem Schreibtisch stand, ist ein Geldbetrag verschwunden. Und ein Kugelschreiber mit persönlicher Widmung verschwand und tauchte in Ihrem Schreibtisch wieder auf, Frau Schubert. Ich weiß, dass das schwere Anschuldigungen sind und es gibt keine Beweise, die Sie belasten. Inwieweit Sie in beide Angelegenheiten involviert sind, wage ich nicht zu entscheiden, doch beide Male sind Sie zumindest am Rande tangiert.“
Ricarda hatte den Mund aufgerissen schnappte nach Luft. Das war ja ungeheuerlich, was man ihr da vorwarf. Diebstahl! Wollte man sie hier fertigmachen? „Ich ...“
„Sagen Sie nichts, Frau Schubert. Ich weiß nicht, ob es unglückliche Umstände sind, die Sie mit den Angelegenheiten verknüpfen oder nicht. Für mich ist die Sache erst einmal erledigt und es wird keine Konsequenzen nach sich ziehen. Allerdings gab es vor Ihrem Erscheinen in dieser Niederlassung keine Vorfälle dieser Art und ich möchte, das dieser Zustand wieder herbeigeführt wird. Haben Sie das korrekt verstanden, Frau Schubert?“
Ricarda konnte nur Nicken. Sie nickte und nickte, bis Herr Brenner sagte, das sei alles und sie könne
Weitere Kostenlose Bücher