Kein Kerl zum Verlieben
Sith dachte. Ihr Chef hörte ihr ungerührt zu und enthielt sich jeglichen Kommentars.
„Wenn stimmt, was Sie mir eben gesagt haben, Frau Schubert, werde ich mit einigen Kollegen hier ein ernstes Wort wechseln, das können Sie mir glauben. Ich werde der Angelegenheit nachgehen, ohne es die Belegschaft merken zu lassen und bitte Sie, keine Schritte zu unternehmen und ganz normal Ihre Arbeit zu tun.“
Ricarda bedankte sich und verließ das Büro des Chefs mit Hoffnung. Sie war hier in Bangkok, um einen guten Job zu machen und wollte mit den Kollegen auskommen. Anfangs hatte das gut geklappt und wenn nun eine Person der Meinung war, sie mobben zu müssen, musste sie diese Person isolieren und die Absichten dieser Person enttarnen. Dann kehrte wieder Harmonie ein und alle konnten zufrieden weiterarbeiten.
Eine Stunde vor Feierabend kam Naree zu ihr ins Büro und druckste erst herum, fragte, wie sie sich fühlte und ob sie Zeit hätte.
„Was ist denn los?“, fragte Ricarda.
Naree lächelte glücklich. „Meine Schwester hat angerufen. Sie kommt mich besuchen und bleibt eine Woche in Bangkok. Ihr Zug kommt am Abend am Hauptbahnhof an und ich möchte sie abholen. Mit dir als Freundin. Es ist sehr kurz für dich, magst du trotzdem mit mir gehen? Wir können zu dritt Essen gehen. Das wäre schön.“
„Ja, gerne, wenn du das willst?“
Naree strahlte. „Wir können kurz nach Hause, zum Umkleiden. Dann treffen wir uns Asok? Von da fahren wir mit der Metro zum Hua Lamphong, ja?“
„Super.“
Vor der Tür ihres Apartments fand Ricarda eine weiße Orchidee und einen Brief vor.
„Sith!“, durchfuhr sie es heißkalt. Aber nein, er war mit ihr auf Arbeit gewesen, er konnte es nicht gewesen sein. Sie nahm die Blume und den Brief mit hinein und las: Ich bitte dich sehr sehr sehr um Verzeihung, Ricarda. Möchtest du es noch einmal mit mir versuchen? Ich bin ein Idiot. Oliver.
‚Ja‘, dachte sie. ‚Aber erst ist Naree dran.‘
Sie fanden sich am Übergang, der zur Metro führte. Naree hatte einen bunten Rock an, der bis zu den Knöcheln reichte. Sie lachte Ricarda an und zeigte ihr, wie man den runden Chip, der als Fahrchip diente, am Automaten bekam und was man weiter mit ihm machte. Er musste am Zielbahnhof wieder am schmalen Durchgang eingesteckt werden, sonst schlossen sich blitzschnell zwei Schranken und man kam nicht vom Bahnsteig. Rickys Rabbitcard galt bei der Metro nicht.
Naree führte sie zuerst nach draußen und zeigte ihr den Hauptbahnhof Hua Lamphong. Es war ein beeindruckendes Gebäude von 1916. Innen musste sich Ricarda den Schrein anschauen, der ein riesiges Bildnis des Königs Nummer fünf zeigte. Er hätte Europa und Deutschland besucht und die Eisenbahn nach Thailand gebracht, erklärte Naree stolz.
Endlich fuhr der erwartete Zug ein. Aus einem Waggon dritter Klasse stieg mit etlichen Mitreisenden eine Frau aus, die wie eine ältere Ausgabe Narees wirkte. In abgewetzter Jeans und leichter Jacke, in der Hand eine Reisetasche, kam sie auf Naree und Ricarda zu und begann zu strahlen, als sie sie bemerkte. Sie reichte wie ihre Schwester Ricarda bis zur Schulter. Die Schwestern begrüßten sich und Naree stellte vor: „Das ist meine Schwester Oom.“
Ricarda wollte die Reisetasche nehmen, doch Oom wehrte ab. „Die kann meine kleine Schwester nehmen, kein Problem. Danke.“ Sie sprach ein langsames und gut ausgesprochenes Englisch. „Ich freue mich, dass meine Schwester eine Freundin gefunden hat und nicht mehr allein in Bangkok leben muss. Sie hat mir schon von dir erzählt. Deutschland ist ein interessantes Land. Vermisst du es? Wie gefällt es dir in Thailand?“
Naree begann, sie zur Metro ziehen, während Ricarda antwortete: „Thailand ist auch sehr interessant und schön, es gefällt mir hier gut. Ich glaube, die Heimat vermisst man immer.“
„Eine weise Antwort“, pflichtete Oom ihr bei.
Naree fragte etwas auf Thai und Oom schüttelte den Kopf, dann sagte sie etwas und nickte. „Sie ist nicht müde und möchte mit uns Essen gehen“, erklärte sie.
Sie fuhren mit der Metro und stiegen zwei Stationen nach Asoke an der Phra Ram 9 aus. Im Shoppingcenter Phra Ram 9, Narees bevorzugter Bummelmeile, suchten sie sich in der obersten Etage ein thailändisches Restaurant aus. Naree bestellte Som Tam, typischen, scharfen Mangosalat, Phat Thai, Reisnudeln mit Gemüse, Krabben und Chili, Khao Man Gai, Huhn, Reis, Gemüse und Cola für alle. Sie stellten alles in die Mitte des Tisches und
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