Kein Kind ist auch (k)eine Lösung
draußen. Vielleicht fand ich ja etwas für Rosa oder Karlotta, sagte ich zu ihm, bevor er noch auf dumme Gedanken kam.
»Kann ich Ihnen helfen, oder schauen Sie sich nur um?«, fragte mich eine dunkelhaarige Frau in akzentfreiem Deutsch, die ganz und gar nicht dänisch aussah, mir aber dafür meine Herkunft sofort ansah, was mich nachdenklich stimmte. Was war an mir typisch deutsch?
»Ich suche etwas für ein Mädchen.«
»Wie alt ist es denn?«
»Das eine ist … so ungefähr ein paar Wochen … oder Monate, glaube ich. Das andere ist eineinhalb. Und dann haben wir noch ein ganz frisch geschlüpftes.«
Sie sah an mir herab und musterte mich, dabei suchte ich doch gar nichts für mich selbst.
»Aha. Und wissen Sie, welche Größe es trägt?«
»Die Größe? Ja, das ist so eine Sache.«
Ich zeigte mit den Händen einen Abstand von einer Hüftbreite. Meine Hüftbreite. »So vielleicht.«
Sie kam auf mich zu, ging an mir vorbei zu einer Stange mit Babykleidung und zeigte auf die Sachen. »Dann müsste das hier das Richtige sein, aber besser wäre es natürlich, wenn Sie die genaue Größe wüssten. Ich kenn das aber auch. Meine Lütte wächst so schnell, da bin ich mir auch nie sicher, was sie gerade trägt.«
Fünfundvierzig Minuten später war ich dann doch in der Lage, das »Mitnehmen-Wollen« auf drei Teile zu reduz ieren: ein gestricktes Jäckchen für Rosa, Lederpuschen für Karlotta und eine kleine Michel-aus-Lönneberga-Mütze für Willi.
Die Verkäuferin wies mich daraufhin, dass es auch die Möglichkeit gab, den Namen auf die Mütze zu sticken.
Ich schüttelte den Kopf und dankte. Um Gottes willen. Es musste ja nun nicht jeder lesen, wie dieses arme Kind hieß. Dann kaufte ich noch einen kleinen Nicki-Strampler, an dem ich einfach nicht vorbeigehen konnte. Der passte vermutlich keinem der drei, aber das nächste Baby kam mit Sicherheit.
Im Grunde genommen hätten wir uns vor diesem Spontantrip nach Dänemark einen Kombi kaufen müssen samt Anhänger. Als am späten Sonntagnachmittag endlich alle Tüten mit neu erworbenen Klamotten, Küchenutensilien und einer traumhaft schönen Lampe für den Esstisch sowie unsere Koffer im Auto verstaut waren, fragte ich mich, ob ich lieber die Bahn nehmen oder trampen sollte.
*
Zurück in Hamburg schien zur Überraschung mal die Sonne. Und wäre man einfach nur nach dem Wetter gegangen, man hätte auch Ostereier verstecken können, statt so ganz langsam – schließlich war es schon Ende Oktober – mal an den bevorstehenden Weihnachtsrummel und den dazugehörigen Geschenke-Einkauf-Marathon zu denken.
Micha musste für ein paar Tage geschäftlich nach Berlin, und ich stürzte mich in meine Arbeit.
Ilka freute sich über die Lederpuschen für Karlotta, aber noch mehr freute sie sich über die Post, die sie bekam: Eine Zusage für den Job in einer Kita, für den sie sich beworben hatte. Und das Beste: Sie konnte Karlotta sogar mitnehmen und dort in der »Wichtelgruppe« unterbringen.
Hanne hatte eine Leih-Oma gefunden, die ihr jetzt dreimal in der Woche half, und sah nicht nur deshalb plötzlich wieder aus wie eine ganz normale Frau. Im Gegensatz zu ihrem Sohn, der nicht im Entferntesten Ähnlichkeit mit Michel aus Lönneberga hatte – eher mit einem Sumoringer.
»Wow. Hast du einen Lover, oder machst du bei Frauentausch mit?«, fragte ich sie, als wir uns im Treppenhaus trafen und sie mir in einem knielangen schwarzen Kleid, Stiefeln und einem wunderschönen Wollmantel entgegenkam.
Bestimmt Marc O’Polo. Das erkannte ich sofort und war der zweite Grund, überrascht zu sein. Hanne war nie markenfixiert. Ganz im Gegenteil.
»Männertausch wäre mir lieber«, sagte sie und stellte ihre Einkaufstüten ab. »Das hat mir mein Göttergatte geschenkt. Er meinte wohl, etwas an meinem häuslichen Auftreten optimieren zu müssen.«
»Wie kam er denn darauf? «, fragte ich ironisch.
»Ich habe halt keine Lust, aufgetakelt durch die Wohnung zu rennen, mit Pumps und in irgendwelchen Röhrenjeans, die bei jedem Bücken meinen halben Hintern an die frische Luft befördern. Und wenn er abends nach Hause kommt, liege ich meist schon auf dem Sofa, hab es mir bequem gemacht und gucke ›Zuhause im Glück‹ oder ›Bauer sucht Frau‹. Muss ich dabei etwa aussehen wie Germany’s next Topmodel?«
Nein, musste sie nicht. Aber was mich noch mehr beruhigte als die Tatsache, dass sie ihre Hosen nicht mehr mit Gummibändern zuhielt, war die verborgene Nachricht: Sie und
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