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Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Wolf
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ich mir vornahm, mir diese Zeit zu merken, um zu wissen, »wann es gerade passte« – denn meistens passte es nicht –, ging ich in die Küche, um zur Feier des Tages eine Flasche Wein zu holen. Beim Anblick meines Regals wurde mir klar, dass ich es gar nicht mehr gewohnt war, spontan Besuch zu bekommen. Ich musste dringend neue Vorräte ranschaffen. Vielleicht war Hanne ja soeben aus ihrem Mama-Koma erwacht und würde wieder die alte Hanne werden. Ich bekam schlagartig gute Laune.
    Hanne marschierte derweil durch meine Wohnung. Auf der Suche nach einer günstigen Stelle mit optimalem Empfang für das Babyfon.
    Ich mochte Hanne, seitdem ich sie das erste Mal auf einer der unzähligen Partys während des Studiums getroffen hatte. Und trotzdem musste ich in diesem Moment erkennen: Sie war der typische Fall von »Frau, die voll in ihrer Mutterrolle aufgeht«. Aber ich hatte sie nun mal so gern, dass ich über vieles hinwegsehen konnte: über ihr Haargummi, das ihre Hose zuhielt, weil der Knopf seit der Geburt nicht mehr zuging und es vermutlich auch in diesem Leben nicht mehr tun würde, über den trockenen Brei, der auf der Rückseite ihres T-Shirts klebte, und über die Tatsache, dass ihr Haaransatz dringend blondiert werden müsste. Darüber konnte ich hinwegsehen. Das Babyfon konnte ich allerdings nicht ignorieren.
    »Ist Emma allein?«
    »Nee, Phillip ist da. Warum?«
    Warum? Weil das Babyfon erfunden wurde für nicht anwesende Eltern, damit diese ihr Kind hören. Egal. Ich freute mich, sie zu sehen.
    Wir setzten uns aufs Sofa. Hanne hatte inzwischen die optimale Empfangsstelle gefunden. Sie legte das Handy neben sich und erzählte mir unaufgefordert von ihrer neuen Bekannten aus der Kinder-Krabbel-Gruppe, die einen Sohn habe, der genauso alt sei wie Emma. »Stell dir vor: Sie ist für ein verlängertes Wochenende nach Mallorca geflogen und hat den Kleinen einfach zu Hause gelassen!«
    »Ganz allein?!«
    »Natürlich nicht ganz allein. Ihr Mann ist da.«
    »Na, dann ist doch alles bestens. Sie kann endlich mal wieder ausschlafen, er weiß ihre Arbeit besser zu schätzen, und das Kind lernt, dass Papa nicht im Büro wohnt, sondern auch zur Familie gehört.«
    In diesem Satz waren mindestens so viele Fehler wie Wörter, und was jetzt folgte, war absehbar. Ein Vortrag darüber, wie wichtig die Mutter-Kind-Beziehung im Alter von bis zu drei Jahren sei.
    Ich hörte nicht zu. Ich ärgerte mich darüber, dass ich überhaupt etwas gesagt hatte. Regel Nummer eins: Niemals sagen, was man denkt. Zumindest nicht in Bezug auf Erziehung und ähnliche Dinge.
    Hanne hatte alle Bücher gelesen, die mit »K« wie Kinder, »S« wie Schwangerschaft oder »E« wie Eizellen und Erziehung zu tun hatten. Natürlich vor der Geburt. Jetzt hatte sie ja keine Zeit mehr. Nur »D« wie »Das Leben danach« hatte sie noch nicht entdeckt.
    Ich gab mich geschlagen und hörte zu.
    Eine Trennung über einen längeren Zeitraum, wozu ein paar Tage anscheinend auch gehörten, könne zu schwerwiegenden Problemen mit dem Kind führen, erklärte sie mir, ein Auge auf das Display des Handys gerichtet, das andere auf mich. So etwas konnten nur Mütter.
    Ich schenkte ihr ein Glas Rotwein ein. Und siehe da, es wirkte. Es dauerte keine fünf Minuten (sie hatte seit zwei Jahren keinen Alkohol getrunken), da wusste ich wieder einmal, warum ich keine Kinder wollte: Egal, mit wie viel Liebe im Blick mir meine Freundin auch von ihrem Alltag erzählte, Liebe im Bett – oder wo auch immer – war für sie zu einem Fremdwort mutiert.
    » Wie bitte? Ihr habt seit Beginn der Schwangerschaft nicht mehr miteinander … also, ich meine, komplett gar nicht?!«
    Nein, tutti kompletti gar nicht.
    Unfassbar.
    Ich war in Mathe nicht besonders gut, aber dafür reichte es dann noch. Neun Monate Schwangerschaft (ich wusste, man zählte heutzutage zehn, aber wir wollten ja nicht den Teufel an die Wand malen und für sie hoffen, dass es wenigstens in den ersten Wochen noch ein wenig Spaß gegeben hatte), plus … wie alt war Emma noch gleich? Mist, da war er wieder: der Moment, in dem ich meinen Babyplan brauchte. Ach ja, neun Monate. Das machte summa summarum achtzehn Monate. Das waren eineinhalb Jahre!
    Okay, ich musste zugeben, in letzter Zeit passierte bei mir auch nicht viel, aber Hanne war für mich immer der Inbegriff der Leidenschaft gewesen! Von ihr hatte ich, was Sex anging, mehr gelernt als von allen Männern, die ich bis dahin hatte. Sie war es, die mit mir damals

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