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Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Wolf
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Tierquälerei, all das Gute da oben riechen zu müssen, aber nichts essen zu dürfen. Wer hatte sich denn das ausgedacht?
    In dem Moment sah ich es: Drinnen liefen junge Mädchen in weißen Blusen und kurzen schwarzen Röcken mit Tabletts umher, auf denen keine Gläser standen! Sie servierten anscheinend den ersten Gruß aus der Küche oder was auch immer. Ich stellte mein Glas auf den Gartentisch und ging zurück Richtung Flügeltür, durch die ich vor ein paar Minuten so elegant hinausgeschritten war. Leider gelang mir das kein zweites Mal.
    Ich hatte gerade den rechten Fuß auf die Matte vor der Tür gesetzt, und ein Herr blieb freundlich stehen, um mich durchzulassen, da wusste ich plötzlich, was sich unter der Matte befand: ein metallenes Gitter. Leider extrem unpraktisch, wenn man auf Pfennigabsätzen unterwegs war.
    Ich blieb mit dem Absatz stecken. Da mein Oberkörper diese Information allerdings nicht schnell genug erhalten hatte, tat er, was er vorhatte: Er bewegte sich weiter Richtung Empfangsbereich. Ohne den Rest.
    Das Nächste, was ich dachte, nachdem das Wort aus meinem Mund geschossen war, das man kleinen Kindern als Erstes abgewöhnte, sobald sie sprechen konnten, war: Da hätte sich Birgit bei der Auswahl des Schnappschusses wirklich etwas mehr Mühe geben können.
    Das Bild, das sie mir von Udo geschickt hatte, aufgenommen bei irgendeiner Grillparty im Stadtpark, im Gegenlicht, entsprach nicht der Realität.
    Was für ein Mann, dachte ich, als Udo – Julianes Freund, der angeblich derzeit keine Treuepunkte bei ihr sammelte – vor mir in die Knie ging, um mir wieder hoch- beziehungsweise rauszuhelfen. Da konnte Herr Schweiger einpacken. Ich allerdings auch, so dämlich, wie ich aussehen musste.
    Ich griff mir reflexartig an den Hintern, nicht weil ich das Gefühl hatte, meine Hüfte einrenken zu müssen, sondern weil ich überprüfen wollte, ob die Naht geplatzt war. Wie durch ein Wunder war sie noch völlig intakt.
    Ich hatte mir meinen komplett ruinierten Schuh gerade wieder angezogen und mich mit dunkelrotem Gesicht tausendmal bedankt, als der smart lächelnde Udo wieder verschwand.
    Hilfe. Hätte mir das nicht vor der Toilettentür passieren können? Aber doch nicht hier! Tausendfünfhundert geladene Gäste, und wer musste mir hochhelfen? Ich konnte es nicht fassen. Das konnte auch nur mir passieren.
    Reinhold Beckmann kam, samt Frau, und lenkte mich kurzzeitig von meinem Hacken und meinem Hintern ab, der sich doch auf einmal anfühlte, als hätte ich mir bei dem Sturz eine Zerrung geholt. Auch das noch.
    Ich winkte einem der Mädchen, die alle gleich aussahen. Zwanzig Sekunden später hielt sie mir ein Tablett mit winzig kleinen weißen Untertassen vor die Nase, auf denen jeweils eine Zuckerschote, ein brauner Wackelpuddingwürfel und drei Erbsen in einer Reihe lagen. Ob sie ein Problem damit hätte, wenn ich ihr einfach das Tablett abnehmen und mich damit in eine Ecke verziehen würde? Ich nahm mir artig ein Minitellerchen und eine Gabel. Wenn das ein Gruß aus der Küche war, brauchte sie nicht zurückzugrüßen. Ich war am Verhungern.
    Während ich mit Gabel, Erbse und Mund Minigolf spielte und verzweifelt versuchte, mit Ersterem Zweites in den Mund zu schieben, nachdem mir die ersten beiden Erbsen runtergefallen waren, ging eine angestrengt grinsende TV-Moderatorin an mir vorbei. Mir drängte sich unweigerlich die Frage auf, wie dieser Busen in diesem weiten Ausschnitt hielt, ohne rauszuplumpsen. Da gab es doch bestimmt einen Trick.
    Nach ihr kam noch Tim Mälzer samt seiner Freundin, die auch – wie alle anderen – besser aussah als ich. Was die beiden wohl zu den drei Erbsen sagen würden? Danach kam jedenfalls lange nichts mehr. Nichts, was mich interessiert hätte, geschweige denn Herr Schweiger.
    Aber auf den konnte ich ja auch getrost verzichten, denn als ich meinen Kopf von der Tür wegdrehte, sah ich ihm direkt in die Augen: Udo. Er hatte sich – ohne dass ich es bemerkt hatte – neben mich gestellt. Was im Grunde nicht von Bedeutung war, denn es war inzwischen so voll, dass jeder neben irgendjemandem stand, ob man wollte oder nicht. Das ließ sich nicht vermeiden. Der höfliche Abstand nach dem Prinzip »Das hier ist mein Kreis, und da fängt dein Kreis an« war hier nicht mehr einzuhalten.
    Aber es war gar nicht die Nähe, die mich umhaute, sondern das Timing. Das ging mir alles eine Spur zu schnell. Am liebsten hätte ich eine Fernbedienung genommen und alles noch einmal

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