Kein Kind ist auch (k)eine Lösung
ich doch nicht jedem gleich auf die Nase binden. Dass Udo jetzt nicht schnaufte und triefte, versetzte mich ins Staunen. Schließlich kannte zumindest ich mein Gewicht, und mich so über die Tanzfläche zu wirbeln, dass es auch noch einigermaßen elegant aussah, dazu gehörten Mut und Muskeln. Aber Gott sei Dank gab es ja keine Jury, die Punkte vergab.
Udo, der Charmeur, legte mir nun sein Jackett über die Schultern, nachdem ich es dreimal dankend abgelehnt hatte, weil es so schrecklich klischeehaft war. Er schaute an sich hinunter.
»Tanzschulen gehörten wohl bisher nicht zu den Orten, an denen du dich gern aufgehalten hast, oder?«, fragte er lachend.
Ich sah ebenfalls nach unten. Seine Schuhe waren nicht nur dreckig, sondern auch an der Spitze eingeknickt.
»Oh Gott, Entschuldigung. Du hast recht, ich habe tatsächlich noch nie eine Tanzschule von innen gesehen. Obwohl, das stimmt nicht. Einmal war ich in einer … ungefähr zwei Minuten lang, dann bin ich rückwärts wieder rausgestolpert. Meine Verabredung hat es mir bis heute nicht verziehen. Kürzlich hab ich ihn bei Xing wiedergefunden, aber er reagiert nicht auf meine Kontaktanfrage.«
Wir lachten.
Udo sah mich an. Mit einem Strahlen in den Augen, über das ich mich eigentlich hätte freuen müssen. Wäre da nicht dieser Grund gewesen, weshalb ich überhaupt hier war. Und wäre da nicht plötzlich Ole gewesen. Er kam mit einem Glas Weißwein in der Hand auf die Terrasse und sah sich um. Ich drehte mich, so schnell ich konnte, mit dem Rücken zu ihm.
Zu spät.
»Das gibt’s doch nicht. Was machst du denn hier?«, hörte ich ihn hinter mir sagen. Ich drehte mich zu ihm um. »Warum hast du denn nicht erzählt, dass du auch heute Abend hier bist?«
»Ach, was für eine Überraschung«, sagte ich und dachte nur: Scheiße.
Ole sah Udo an, dann das Jackett über meinen Schultern, dann mich.
»Ich bin gleich wieder da«, sagte Udo, zeigte kurz Richtung Terrassentür und ging. »Ich hol uns mal eine Erfrischung.«
Uns.
Mist.
»Dein Freund?«, fragte Ole.
»Nein. Das ist der … Also der von Birgits Freundin, der Freund. Beziehungsweise von ihrer Cousine, um genau zu sein. Ich kenne sie nicht«, stammelte ich.
Oh Gott.
»Aha. Dafür ihn aber umso besser?«
»Ach, nein, das sieht nur so aus.«
Ich sah an dem Jackett runter.
Eine Frau mit langen roten Haaren in einem grünen Kleid kam auf uns zu. Was für eine Kombination.
»Ole, komm! Das ist mein Lied!«, strahlte sie, griff nach seinem Arm und verschwand mit ihm.
»Sorry«, sagte er noch kurz und war weg.
Na prima. Was für ein Abend! Jetzt konnte ich mir auch noch den Rest der Sektflasche holen. Hatte ich Oles Gewiesel um mich herum also doch falsch interpretiert? Wie blöd konnte man nur sein? Gott sei Dank hatte ich ihn nicht gefragt, ob er etwas mit mir unternehmen würde. Da hätte ich ja vermutlich gleich eine kalte Dusche bekommen. Was für ein vermasseltes Wiedersehen, das hatte ich mir wahrlich anders vorgestellt.
Und was, wenn ich sein Gewiesel doch richtig verstanden hatte und er jetzt dachte, ich hätte kein Interesse an ihm ? Wenn er jetzt dachte, ich hätte bereits einen Freund? Na, super, Frau Schönberg. Das hast du ja prima hinbekommen.
Ich zog das Jackett aus und ging rein.
Es war erst elf Uhr, aber im Saal war nicht mehr viel los. Der BILD-Fotograf stand am Büfett und nahm sich die letzten Sushiröllchen. An den Tischen saß kaum noch jemand, und die wenigen Gäste, die sich neben Ole und seiner heißen Hexe noch auf der Tanzfläche herumtrieben, waren anscheinend nur dort, weil sie nicht alleine nach Hause gehen wollten.
Marc hatte Sophie, Udo Juliane und Ole war, wie es aussah, auch in festen Händen. Und selbst wenn sie nicht seine Freundin war, was sollte er jetzt von mir denken, wo ich hier mit fremden Jacketts rumstand? Sicher nicht, dass ich lieber seines zum Lüften nach draußen geführt hätte. Gott, war ich dumm, mich auf so einen Blödsinn einzulassen.
Irgendwas lief gerade mal wieder völlig schief.
Ein Mann mit zurückgegelten schwarzen Haaren sah mich musternd an. Ich drehte mich schnell weg und versuchte, den Barkeeper auf mich aufmerksam zu machen, der wie ein Roboter Gläser abtrocknete, sie gegen das Licht hielt, polierte, wegstellte und wieder von vorne begann.
»Ich hätte gern irgendetwas Fruchtiges.«
Er sah mich an, sagte etwas, was ich nicht verstand, und ich nickte. Bei meinem Pegel war es inzwischen auch egal, wie die Drinks hießen. Ich
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