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Kein Kinderspiel

Kein Kinderspiel

Titel: Kein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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helle Geräusch von zersplitterndem Glas.
    Ich wirbelte herum und feuerte über das Verandageländer in das Fenster. Glasscheibe und Holzrahmen zersplitterten, im schwarzen Vorhang gähnte ein großes Loch.
    Im Haus schrie jemand.
    Das Schießen hatte aufgehört. Das Echo des Gewehrs und das Geknatter der Automatik vibrierten in meinem Schädel.
    Angie kniete neben dem Treppenabsatz. Mit verzerrtem Gesicht hielt sie die .38 auf das Loch in der Tür gerichtet.
    »Alles in Ordnung?« fragte ich.
    »Mein Knöchel ist im Arsch.«
    »Angeschossen?«
    Sie schüttelte den Kopf, ließ die Tür aber nicht aus den Augen. »Ich glaube, er hat geknackst, als du mich zu Boden geworfen hast.« Langsam zog sie durch die zusammengepreßten Zähne Luft ein.
    »Meinst du geknackst wie gebrochen?«
    Sie nickte und atmete noch einmal tief durch.
    Poole stöhnte. Aus seinem Mundwinkel floß ein heller Strom Blut.
    »Ich muß ihn von der Veranda holen«, sagte ich.
    Angie nickte. »Ich geh’ dir Deckung.«
    Ich legte das Gewehr ins nasse Gras und streckte mich nach dem Geländer. Ich bekam den Teil zu fassen, der durch Pooles Aufprall losgerissen worden war. Mit dem Fuß stemmte ich mich gegen das Fundament der Veranda und zerrte an dem Geländer. Ich spürte, wie der senkrechte Teil nachgab und sich aus dem verrotteten Holz löste. Noch einmal zog ich kräftig, dann hatte ich das halbe Geländer aus dem Verandaboden gerissen. Poole fiel auf mich, und wir landeten im nassen Gras.
    Wieder stöhnte er auf und krümmte sich in meinen Armen. Ich rutschte unter ihm hervor und sah gleichzeitig, daß sich die Gardine im rechten Fenster bewegte.
    »Angie!« rief ich, doch sie hatte sich schon umgedreht. Sie feuerte drei Schüsse auf das Fenster. Das Glas zersplitterte und regnete auf die Veranda.
    Ich kroch an den niedrigen Büschen vor der Veranda entlang, doch wurde nicht zurückgeschossen. Poole wölbte den Rücken, Blut sprudelte zwischen seinen Lippen hervor.
    Angie ließ die Pistole sinken und warf einen letzten langen Blick auf Tür und Fenster. Dann rutschte sie auf Knien auf uns zu. Ihr linker Fuß stand seltsam verdreht ab. Ich zog meine .45 und gab Angie Deckung, solange sie kroch. Dann begab ich mich an die andere Seite von Poole.
    Erneut detonierte die automatische Waffe im hinteren Teil des Hauses.
    »Broussard!« Poole spuckte das Wort aus. Er hielt Angies Arm umklammert und schlug mit den Hacken auf den Rasen.
    Angie sah mich an.
    »Broussard«, wiederholte Poole mit einem dickflüssigen Gurgeln im Hals. Er versuchte, sich aufzubäumen.
    Angie zog ihr Sweatshirt aus und drückte es auf den dunkel sprudelnden Blutbrunnen in der Mitte von Pooles Brust. »Pssst.« Sie legte ihm eine Hand auf die Wange. »Pssst.«
    Wer auch immer im hinteren Teil des Hauses herumschoß, hatte ein riesiges Magazin. Volle zwanzig Sekunden lang war das stakkatoartige Stammeln des Gewehrs zu hören. Dann folgte eine kurze Pause, doch kurz darauf begann es von neuem. Ich war mir nicht ganz sicher, ob das die Calico oder eine andere automatische Waffe war, aber eigentlich war es auch egal. Eine Maschinenpistole ist eine Maschinenpistole.
    Ich schloß eine Sekunde lang die Augen und schluckte, weil meine trockene Kehle schmerzte. Ich spürte, wie das Adrenalin mein Blut wie Gift überschwemmte.
    »Patrick«, sagte Angie, »laß es dir bloß nicht einfallen!«
    Ich wußte, daß ich den Rasen niemals verlassen würde, wenn ich sie jetzt ansah. Irgendwo in diesem Haus saß Broussard in der Klemme, vielleicht war sogar schon Schlimmeres passiert. Samuel Pietro konnte dort sein, und Kugeln umschwirrten ihn wie Hornissen.
    »Patrick!« schrie Angie, doch da war ich schon die drei Stufen hochgesprungen und auf dem Spalt gelandet, wo die Veranda zerborsten war.
    Der Türknauf war bei dem Überfall auf Poole abgeschossen worden, deshalb trat ich die Tür auf und schoß erst einmal auf Brusthöhe ins Dunkel. Ich wirbelte nach rechts, nach links und leerte dabei das Magazin, ließ es aus dem Kolben fallen und hatte schon ein neues hereingeschoben, bevor das alte zu Boden gefallen war. Das Zimmer war leer.
    »Brauche unverzüglich Hilfe!« kreischte Angie draußen in ihr Handy. »Beamter verletzt! Beamter verletzt!«
    Im Haus war es dunkel. Die Dunkelheit paßte zum trüben Himmel draußen. Ich entdeckte eine Blutspur auf dem Boden, die von jemandem verursacht worden sein mußte, der sich in den Flur geschleppt hatte. Am anderen Ende des Flurs fiel durch die Löcher in

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