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Kein Kinderspiel

Kein Kinderspiel

Titel: Kein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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einnehmen«, sagte Broussard.
    »Was ist mit den ganzen Waffen?« fragte Angie.
    »Die euer geheimnisvoller Freund dort angeblich gesehen hat?« fragte Poole.
    Ich nickte. »Genau die. Calico M-l10, meinte er.«
    »Aber sie hatten keine Munition dafür.«
    »Gestern abend nicht«, gab ich zu. »Aber wer weiß, ob sie sich in den letzten sechzehn Stunden nicht was besorgt haben?«
    Poole nickte. »Wenn sie die Munition haben, dann sind sie stark bewaffnet.«
    »Darum kümmern wir uns, wenn es soweit ist.« Broussard wandte sich an Poole. »Ich verlier’ immer, wenn eine Münze geworfen wird.«
    »Dann hast du jetzt eine neue Chance.«
    Broussard seufzte. »Kopf.«
    Poole schnipste mit dem Daumen, und die Münze flog im Halbdunkel des Autos in die Höhe. Für einen Sekundenbruchteil fing sich das bernsteinfarbene Licht des Regens in ihr, und sie glänzte wie spanisches Gold. Dann landete sie in Pooles Hand, der sie auf den Rücken der anderen Hand legte.
    Broussard schielte auf das Geldstück und verzog das Gesicht. »Wer von dreimal zweimal gewinnt?«
    Poole schüttelte den Kopf und steckte die Münze wieder fort. »Ich nehme die Vordertür, du gehst nach hinten.«
    Broussard lehnte sich zurück. Eine volle Minute lang sagte niemand etwas. Wir starrten durch den schräg fallenden Regen auf das schmutzige kleine Haus. Eigentlich war es nicht mehr als eine Kiste, und die durchhängende Veranda die fehlenden Schindeln und die vernagelten Fenster vermittelten das Gefühl von Verkommenheit.
    Wenn man das Haus betrachtete, konnte man sich nicht vorstellen, daß man sich in seinen Schlafzimmern liebte, daß Kinder auf dem Hof spielten oder Gelächter bis zu den Dachbalken schallte.
    »Gewehre?« fragte Broussard schließlich.
    Poole nickte. »Wie in einem richtigen Western, Kollege.«
    Broussard griff nach der Türklinke.
    »Ich will diese Hommage an John Wayne ja nicht kaputtmachen«, mischte sich Angie ein, »aber müssen die Gewehre den Bewohnern des Hauses nicht merkwürdig vorkommen, wenn ihr angeblich nur ein paar Fragen stellen wollt?«
    »Die sehen die Gewehre nicht«, entgegnete Broussard, während er die Tür öffnete. »Dafür hat Gott ja den Trenchcoat erschaffen.«
    Broussard überquerte die Straße, ging ein Stück weiter zu seinem Taurus und öffnete den Kofferraum. Sie hatten das Auto neben einem Baum geparkt, der so alt sein mußte wie die Stadt selbst: Er war groß und verwachsen, und seine Wurzeln hatten den Bürgersteig aufgerissen. Er schirmte das Auto und Broussard vor dem Haus der Tretts ab.
    »Wir sind soweit«, sagte Poole leise auf dem Rücksitz.
    Broussard holte einen Trenchcoat aus dem Kofferraum und zog ihn über. Er warf Poole einen Blick zu.
    »Wenn irgendwas schiefgeht, nehmt das Handy und wählt neun eins eins.« Er beugte sich vor und hielt uns den Zeigefinger vors Gesicht. »Und ihr entfernt euch unter keinen Umständen von diesem Fahrzeug. Haben wir uns verstanden?«
    »Verstanden«, erwiderte ich.
    »Miss Gennaro?«
    Angie nickte.
    »Na, dann ist es ja gut.« Poole öffnete die Tür und stieg aus.
    Er überquerte die Straße und gesellte sich zu seinem Kollegen vor dem Kofferraum des Taurus. Broussard nickte, als Poole etwas zu ihm sagte. Er sah zu uns herüber und schob sich das Gewehr unter den Trenchcoat. »Diese Cowboys!« sagte Angie.
    »Das ist vielleicht Broussards Chance, wieder zum Detective aufzusteigen. Klar ist er aufgeregt.« »Vielleicht zu aufgeregt?« gab Angie zu bedenken. Broussard schien Gedanken lesen zu können. Durch den Regen, der an unseren Fensterscheiben herunterlief, lächelte er uns zu und zuckte mit den Schultern. Dann wandte er sich wieder Poole zu und flüsterte dem älteren Mann etwas ins Ohr. Poole klopfte ihm auf den Rücken, und Broussard ging los. Im peitschenden Regen lief er die Straße hinauf, bog östlich von Tretts Vorgarten ab und schlenderte lässig durch das Gestrüpp auf die Hinterseite des Hauses zu.
    Poole schloß den Kofferraum und zerrte am Trenchcoat herum, bis er das Gewehr verdeckte. Er hielt es mit dem rechten Arm an die Brust gedrückt. Seine Glock hatte er in der linken Hand hinter dem Rücken. Er blickte zu den vernagelten Fenstern empor. »Hast du gesehen?« fragte Angie. »Was?«
    »Das Fenster links von der Haustür. Ich glaube, die Gardine hat sich bewegt.« »Bist du sicher?« Sie schüttelte den Kopf. »Ich hab’ gesagt, ich glaube.« Sie nahm das Handy aus der Handtasche und legte es auf den Schoß.
    Poole hatte die Treppe

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