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Kein Kinderspiel

Kein Kinderspiel

Titel: Kein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Blödmann?«
    »Nein, Dottie«, erwiderte Lionel vorsichtig. »Das habe ich doch nicht gesagt.«
    » Bin ich hier der Loser vom Dienst, oder was? Bin ich nicht mehr gut genug für meine Freundin, wenn sie mich am meisten braucht?«
    »Das meint er doch gar nicht«, sagte Beatrice mit müder Stimme, die Augen noch immer geschlossen.
    »Aber eben …« begann ich.
    Dottie verzog das aufgedunsene Gesicht und sah mich an.
    »Helene«, ging Angie schnell dazwischen, »es wäre wesentlich schneller vorbei, wenn wir dir allein ein paar Fragen stellen könnten. Dann gehen wir dir auch nicht mehr auf die Nerven.«
    Helene blickte Angie an, dann Lionel. Dann sah sie wieder zum Fernseher hinüber. Schließlich starrte sie Dotties Hinterkopf an.
    Dottie guckte noch immer fragend zu mir hoch, als könne sie sich nicht entscheiden, ob sie nun verwirrt oder wütend war.
    Als hielte Helene eine staatstragende Rede, gab sie bekannt: »Dottie ist meine beste Freundin. Meine allerbeste Freundin. Das heißt schon was. Wenn ihr mit mir reden wollt, müßt ihr auch mit ihr reden.«
    Dottie wandte den Blick von mir ab und sah sich nach ihrer allerbesten Freundin um. Helene stieß sie mit dem Ellenbogen an.
    Ich warf Angie einen kurzen Blick zu. Wir arbeiteten schon so lange im Team, daß ich ihren Gesichtsausdruck in zwei Worten zusammenfassen konnte: Scheiß drauf.
    Ich nickte ihr zu. Das Leben war zu kurz, um noch eine Sekunde länger mit Helene und Dottie zu verbringen.
    Ich schaute zu Lionel hinüber, der zuckte mit den Schultern. Er sah resigniert aus.
    Wir wollten gerade gehen, da schlug Beatrice die Augen auf und stellte sich uns in den Weg. »Bitte!« sagte sie.
    »Nein«, erwiderte Angie leise.
    »Nur eine Stunde!« bat Beatrice. »Gebt uns eine Stunde. Wir zahlen auch dafür!«
    »Es geht nicht ums Geld«, antwortete Angie.
    »Bitte!« wiederholte Beatrice. An Angie vorbei sah sie mir in die Augen. Sie verlagerte das Gewicht vom linken Fuß auf den rechten und ließ die Schultern hängen.
    »Aber nur eine Stunde«, sagte ich. »Mehr nicht.«
    Sie lächelte und nickte.
    »Patrick, oder?« Helene sah mich an. »So heißt du doch, oder?«
    »Ja«, bestätigte ich.
    »Kannst du ein bißchen zur Seite gehen, Patrick?« fragte Helene. »Du stehst im Weg.«
    Eine halbe Stunde später waren wir kein bißchen schlauer.
    Mit viel Überzeugungskunst hatte Lionel seine Schwester dazu gebracht, den Fernseher auszuschalten, solange wir uns unterhielten, doch schien das fehlende Flimmern Helenes Aufmerksamkeit noch weiter zu verringern. Während unseres Gespräches schossen ihre Augen immer wieder an mir vorbei auf die schwarze Mattscheibe, als hoffe sie, sie würde durch göttliche Intervention wiederbelebt.
    Dottie, die zuerst so einen Aufstand gemacht hatte, weil sie bei ihrer besten Freundin bleiben wollte, verließ das Zimmer, sobald der Fernseher aus war. Wir hörten sie in der Küche herumfuhrwerken. Sie holte eine Dose Bier aus dem Kühlschrank und kramte in den Schränken nach einem Aschenbecher.
    Lionel saß neben seiner Schwester auf der Couch, und Angie und ich hockten vor dem Fernsehschrank auf dem Boden. Beatrice hatte soweit wie möglich von Helene entfernt auf der Couch Platz genommen. Sie hatte ein Bein ausgestreckt, das andere hielt sie am Knöchel fest.
    Wir baten Helene, uns alles über den Tag zu erzählen, an dem ihre Tochter verschwunden war. Wir fragten sie, ob sie sich eventuell gestritten hatten, ob Helene möglicherweise jemanden verärgert hatte, ob jemand Grund gehabt hätte, ihre Tochter zu entführen, um sich an ihr zu rächen.
    Helenes Stimme klang leicht verärgert, als sie uns erklärte, daß sie sich nie mit ihrer Tochter gestritten habe. Wie sollte sie sich mit jemandem streiten, der immer nur lächelte? Wenn sie zwischendurch einmal nicht lächelte, hatte Amanda ihre Mami geliebt und wurde von ihr zurückgeliebt; und so lächelten sie sich an und liebten sich und lächelten sich an. Helene fiel niemand ein, den sie verärgert haben könnte, und wie sie schon der Polizei gesagt hatte: Wer würde denn ein Kind entführen, um sich an der Mutter zu rächen? Kinder machten Arbeit, erklärte uns Helene. Man müsse sie füttern, versicherte sie uns. Man müsse sie ins Bett bringen und manchmal mit ihnen spielen.
    Aha, deshalb also wurde hier so viel gelächelt.
    Sie konnte uns nichts erzählen, was wir nicht schon in der Zeitung gelesen oder von Lionel und Beatrice gehört hatten.
    Was Helene anging: Je länger ich

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