Kein Kinderspiel
beobachtete er den Rest der Kneipe.
Die Männer waren Profis. Absolute Profis.
Außer Casper und Popeye befanden sich noch zwölf Menschen in der Kneipe: Barkeeper und Kellnerin hinter der Theke, die beiden Männer auf dem Boden, Lionel, Angie, Ryerson und ich, die beiden Sekretärinnen sowie zwei Typen in der Nähe des Eingangs, die wie Lastwagenfahrer aussahen. Einer trug die grüne Jacke der Celtics, der andere eine alte, dick gefütterte Jacke aus Leinen und Jeansstoff. Beide waren Mitte Vierzig und kräftig gebaut. Vor ihnen auf der Theke stand eine Flasche Old Thompson mit zwei Schnapsgläsern.
»Laß dir Zeit!« sagte Casper zum Barkeeper, der sich hinter die Theke kniete und an etwas herumfummelte. Ich nahm an, er versuchte den Safe zu öffnen. »Mach einfach langsam, so als wäre nichts passiert, dann drehst du auch nicht an den Zahlen vorbei.«
»Tun Sie uns bitte nichts!« sagte einer der Männer auf dem Boden. »Wir haben Familie.«
»Halt’s Maul!« sagte Popeye.
»Wir tun keinem was«, erkärte Casper, »solange ihr euch ruhig verhaltet. Seid einfach still. So einfach ist das.«
»Wißt ihr Arschlöcher überhaupt, wem diese Kneipe gehört?« fragte der Typ mit der Celtics-Jacke.
»Was?« fragte Popeye.
»Du hast mich schon verstanden, du Schwein. Weißt du, wem diese Kneipe gehört?«
»Bitte«, sagte eine der Sekretärinnen. »Seien Sie still.«
Casper wandte sich um. »Ein Held.«
»Ein Held«, wiederholte Popeye und sah sich den Idioten näher an.
Ohne die Lippen zu bewegen, flüsterte Ryerson: »Wo ist Ihre?«
»Am Rücken«, antwortete ich. »Und Ihre?«
»Im Schoß.« Er schob die rechte Hand einige Zentimeter weiter auf die Tischkante zu.
»Nicht!« flüsterte ich, als Popeye Blick und Gewehr wieder auf uns richtete.
»Ihr Arschlöcher seid so gut wie tot«, sagte der Lkw-Fahrer.
»Hören Sie doch auf zu reden!« flehte eine der Sekretärinnen. Sie hielt den Blick auf den Tisch gesenkt.
»Guter Vorschlag«, sagte Casper.
»Tot. Verstanden? Ihr verfluchten Schweine. Ihr verdammten Ärsche. Ihr verdammten…«
Casper machte vier Schritte nach vorne und boxte dem Fahrer mitten ins Gesicht.
Er fiel von seinem Hocker und schlug so hart auf dem Boden auf, daß seine Schädeldecke brach. Wir alle konnten das Krachen hören.
»Noch Fragen?« wandte sich Casper an den Kumpel des Fernfahrers.
»Nein«, entgegnete der mit Blick auf den Tresen.
»Sonst noch jemand?« fragte Casper.
Der Barkeeper trat hinter der Theke hervor und legte die Mülltüte auf den Tresen.
In der Kneipe war es so still wie in einer Kirche vor dem Jawort.
»Was?« fragte Popeye und ging drei Schritte auf unseren Tisch zu.
Ich brauchte einen Augenblick, um zu verstehen, daß er mit uns sprach, und einen Moment später wußte ich mit letzter Gewißheit, daß jetzt alles furchtbar schnell furchtbar schiefgehen würde.
Keiner von uns bewegte sich.
»Was hast du gerade gesagt?« Popeye richtete die Waffe auf Lionels Kopf, und die Augen hinter der Maske flogen unsicher über Ryersons ruhiges Gesicht. Dann sah er wieder Lionel an.
»Noch ein Held?« Casper nahm die Tasche von der Theke und kam zu unserem Tisch herüber, das Gewehr auf meinen Nacken gerichtet.
»Ein kleiner Quatschkopf«, sagte Popeye. »Er redet Scheiße.«
»Hast du was zu sagen?« fragte Casper und richtete das Gewehr jetzt ebenfalls auf Lionel. »Ha? Dann sprich laut!« Er wandte sich an Popeye. » Paß auf die anderen drei auf.«
Popeye richtete seine .45 auf mich, so daß ich genau in den Lauf sehen konnte.
Casper ging noch einen Schritt auf Lionel zu. »Hört einfach nicht auf zu quatschen, hm?«
»Warum müßt ihr sie unbedingt ärgern? Die Typen sind bewaffnet«, sagte eine der Sekretärinnen.
»Sei leise«, sagte ihre Freundin.
Lionel sah die Maske an, die Lippen fest geschlossen. Seine Fingerspitzen gruben sich in die Tischoberfläche.
Casper sagte: »Ja, sicher, Mann. Klar. Erzähl du nur!«
»Ich brauch’ mir diesen Mist nicht länger anhören«, rief Popeye.
Casper drückte die Mündung des Gewehrs auf Lionels Nasenrücken. »Halt die Klappel«
Lionels Hände zitterten. Er blinzelte, weil ihm Schweiß in die Augen lief.
»Er will einfach nicht auf uns hören«, sagte Popeye. »Möchte einfach weiter seinen Müll erzählen.«
»War’s das jetzt?« fragte Casper.
»Ruhig bleiben, bitte«, sagte der Barkeeper. Er hielt die Hände hoch.
Lionel sagte kein Wort.
Doch alle Anwesenden in der Kneipe würden hinterher
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